Maßnahmenpaket gegen Steuerdumping: Kommission schöpft das BEPS-Instrumentarium nicht aus

Die EU-Kommission hat ihr neues Maßnahmenpaket gegen Steuerdumping internationaler Großunternehmen vorgestellt. Zuletzt hatten die europäischen Wettbewerbshüter Starbucks und Fiat wegen ihrer Steuersparmodelle zu Rückzahlungen in Millionenhöhe verdonnert und eine belgische Steuerregelung für illegal erklärt. Jetzt wird die Kommission auch gesetzgeberisch aktiv und will Steuerdumping von vornherein vereiteln. Das Paket soll einen Teil des OECD-Aktionsplans gegen Steuervermeidung und Gewinnverlagerung (englisch: Base Erosion and Profit Shifting, BEPS) in Europa umsetzen. Konkret schlägt die Kommission vor, eine länderübergreifende Finanzberichterstattung nach dem OECD-Standard einzuführen, Auslandsgewinne und Vermögensverlagerungen in Niedrig-Steuer-Länder zu besteuern, die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zinszahlungen zu begrenzen, Missbrauchsklauseln in Doppelbesteuerungsabkommen einzufügen und Regeln zum Umgang mit ausländisch beherrschten Unternehmen zu vereinheitlichen. Steuerdumping wird aber weiterhin möglich sein.

Die Vorschläge der EU-Kommission kommentiert Sven Giegold, finanz- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament:

“Vor allen anderen Staaten beginnt die EU mit der Umsetzung der Anti-BEPS Maßnahmen. Das ist ein wichtiger Schritt gegen Steuerdumping von Großunternehmen. Mit ihren Vorschlägen gegen Steuerdumping schöpft die Kommission aber das Instrumentarium des OECD-Aktionsplans nicht aus. Hinter den Forderungen des Europäischen Parlaments, das wiederholt dringende Reformen angemahnt hatte, bleibt die Kommission mit ihren Vorschlägen meilenweit zurück. Steuerdumping wird auch weiterhin möglich sein und lediglich umstrukturiert werden.

Der Katalog der Kommission enthält zwar analog zu BEPS wichtige Maßnahmen wie die Empfehlung zur Einführung von Anti-Missbrauchsklauseln in Doppelbesteuerungsabkommen und die Empfehlung, die Definition von Betriebsstätten nachzuschärfen. Betriebsstätten werden oft dazu genutzt, Gewinne in Steueroasen zu leiten, ohne dass ein Unternehmen dort Geschäfte betreibt. Jenseits von BEPS schlägt die Kommission vor sicherzustellen, dass Auslandsgewinne und Vermögensverlagerungen in Niedrig-Steuer-Länder mindestens einmal besteuert werden. An dieser Stelle geht die Kommission sogar über den OECD-Aktionsplan hinaus, der diese Maßnahmen gar nicht enthält.

Bei der Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Zinsaufwendungen setzt die Kommission allerdings nur das von BEPS geforderte Minimum um. Die Kommission schlägt vor, dass der Nettozinsaufwand bis zur Höhe von 30 % des steuerpflichtigen Gewinns oder 1 Million Euro – je nachdem, was höher ist – abzugsfähig sein soll. Unter BEPS wäre eine Deckelung auf 10% möglich gewesen. Dasselbe gilt für die Behandlung ausländisch beherrschter Unternehmen: Die Kommission schlägt vor, den Gewinn eines Tochterunternehmens mit Sitz in einem Drittstaat zu besteuern, wenn der Steuersatz dort weniger als 40% des Steuersatzes zu Hause beträgt. Zwischen EU-Mitgliedstaaten sind künstliche Steuergestaltungen weiterhin möglich. BEPS dagegen verbietet solche Steuersparmodelle unabhängig davon, welche Länder beteiligt sind. Schlimmer noch: Die 40%-Regelung schafft einen Anreiz für EU-Mitgliedstaaten, ihren eigenen Steuersatz zu senken, um die Besteuerung der Gewinne des Tochterunternehmens im Drittstaat zu umgehen. Diese Lücke im Vorschlag der EU-Kommission schadet auch Entwicklungsländern, wo Auslandsunternehmen oft kaum besteuert werden. Der BEPS-Vorschlag für einen einheitlichen Ansatz zur Ausgestaltung von Patentboxen fehlt im Kommissionspaket ganz.

Bei der länderübergreifenden Finanzberichterstattung hat die Kommission nur das vorgeschlagen, worauf man sich schon auf internationaler Ebene geeinigt hatte. Das Europaparlament hat aber mehrfach eine Veröffentlichung der Steuerzahlungen von Großunternehmen nach Ländern gefordert. Diesen Vorschlag will die Kommission allerdings erst in einem nächsten Schritt vorlegen – wenn überhaupt. Die Mitgliedstaaten sind jetzt aufgefordert, die Vorschläge der Kommission schnell auf den Weg zu bringen und an Schwachstellen nachzubessern. Sie können nun zeigen, dass sie es wirklich ernst meinen mit dem Kampf gegen Steuervermeidung.

Um dem Steuerdumping grenzüberschreitend tätiger Unternehmen wirklich ein Ende zu bereiten, brauchen wir eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage (GKKB) und einen Mindestsatz für Unternehmensteuern in der EU. Die Kommission will erst im zweiten Halbjahr 2016 einen Vorschlag zur GKKB unterbreiten. Solange bleibt das Maßnahmenpaket der Kommission ein zahnloser Tiger und wir müssen darauf hoffen, dass Google und Co. ihren Ankündigungen, Gewinne dort zu versteuern, wo sie entstehen, auch tatsächlich nachkommen.”