Studie zu EU-Politikern: Drehtür in die Wirtschaft öffnet Tür und Tor für Politikverdruss

Transparency Internationals neueste Studie über Karrieren von insgesamt 485 früheren Abgeordneten des Europaparlaments und von 27 EU-Kommissaren ergibt, dass sehr viele dieser Politiker anschließend Lobbyisten werden. 30 Prozent der ehemaligen Europaabgeordneten und über 50 Prozent der ehemaligen Kommissare arbeiten inzwischen für Organisationen, die im Transparenzregister für Lobbyisten registriert sind. Die Studie bietet die erste Übersicht dieser Art.

Sven Giegold, Sprecher der deutschen Grünen im Europäischen Parlament, kommentiert die Studie:

„Es öffnet Tür und Tor für Politikverdruss, wenn Politiker nach ihrem Mandat die schnelle Drehtür in die Wirtschaft nehmen. Mit harten aber fairen Regeln müssen wir die Gemeinwohlorientierung der Politik schützen. Die bisherigen Regeln zur Vermeidung von Interessenkonflikten sind schlechte Kosmetik.

Die Karenzzeit für EU-Kommissare muss nicht nur verlängert, sondern vor allem unabhängig überwacht werden. Das Verfahren der EU-Kommission zu Interessenkonflikten von Vorgängern krankt an mangelnder Unabhängigkeit. Bisher hat der handverlesene Ausschuss der EU-Kommission alle ehemaligen Kommissare laufen lassen, auch wenn sie Regeln gebrochen hatten wie Neelie Kroes. Mit Interessenkonflikten gegen Interessenkonflikte vorzugehen, funktioniert offenbar nicht. Die EU-Kommission muss ihren Code of Conduct runderneuern und glaubwürdige Richter einsetzen. Die EU-Kommission sollte sich die “Hohe Behörde” in Frankreich zum Vorbild nehmen, die deutlich härter gegen Interessenkonflikte vorgeht.

Es ist absurd, dass für Mitarbeiter von EU-Abgeordneten eine Karenzzeit von zwei Jahren gilt, die Parlamentarier selbst aber sofort Lobbyisten werden können. Leider blockierten Konservative und Liberale Karenzregeln als kurz vor Weihnachten über die Geschäftsordnung abgestimmt wurde. Gemeinsam mit über 100 Europaabgeordneten aus 5 Fraktionen hatten wir eine Veröffentlichungspflicht von Anschlussjobs und eine Karenzzeit für Abgeordnete gefordert. Während sie vom Parlament ein Übergangsgeld erhalten, sollten sie nicht noch zusätzlich als Lobbyist Geld verdienen können. Die Veröffentlichungspflicht wurde mehrheitlich abgelehnt, die Karenzzeit wurde vom damaligen Präsident Martin Schulz nicht zur Abstimmung zugelassen. Wir werden das bei der nächsten Reform wieder einbringen. Die Karenzzeit muss natürlich auch für Wechsel in die Zivilgesellschaft gelten, nicht nur in die Industrielobby.“