BNN: Der Humanist erklärt die grüne Welt – Winfried Kretschmann zieht 700 Zuhörer an

Berichterstattung in den BNN von Montag, 22. Februar, über die Wahlkampfrede von unserem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann am vergangenen Freitag im Tollhaus Karlsruhe.

30 Jahre mussten die Grünen warten, bis Winfried Kretschmann die Geschicke des Landes 2011 in die Hand nahm. 30 Minuten warten 700 Menschen bei Karlsruher Weltmusik der Gruppe El’an und der Vorstellung ihrer grünen Kandidaten Bettina Lisbach und Alexander Salomon geduldig. Dann ist er da. Ohne Pomp, ohne polemische Fanfaren. Bei den ersten Sätzen knirscht Kretschmanns von den vielen Wahlkampfreden strapazierte Stimme noch. Dann erklärt der Grüne seinem Publikum im Tollhaus 70 Minuten ruhig, anscheinend mühelos und umso eindringlicher die Welt. Der 67-Jährige erzählt mehr – davon, wie alles miteinander zusammenhängt. Er doziert nicht.

Der Ministerpräsident verortet Baden-Württemberg als grünes Land berechtigter Hoffnung in der Krisenzeit des Flüchtlingsproblems, eines unsolidarischen Europas, eines von Putin verschärften Tötens in Syrien. Er ordnet Baden-Württemberg als wirtschaftliches Erfolgsmodell ein, als Ort gesellschaftlicher Modernität und Prosperität zwischen den Hightech- und Wachstumsgrößen Kalifornien und China.

Und dann lotet der Lotse die große Krise noch tiefer aus: „Erst der Mangel an europäischer Solidarität bringt uns in diese Situation.“ Wenn die Flüchtlinge auf alle EU-Länder mit ihren insgesamt 500 Millionen gerecht verteilt würden, dann würde es doch kaum Probleme mit der Unterbringung und der Integration geben. „Wenn Europa zerbricht, wäre das eine epochale Katastrophe“, dann stünde nach 70 Jahren Frieden in Kerneuropa auch der Wohlstand auf dem Spiel.

Und jetzt wird Kretschmann energisch: „Wer außer Angela Merkel hat denn von den aktuellen Staatschefs das Format, Europa zusammenzuhalten?“ Dann rechnet er mit der AfD als der falschen Alternative ab: „Der Nationalismus hat nichts als großes Leid gebracht.“ Deshalb müsse in großen Krisen immer der Konsens der Demokraten vor dem Konflikt rangieren, appelliert er an die „Verantwortungsgemeinschaft gegen die Rechtspopulisten“.

Unaufgeregt spricht aus der Integrationsfigur humanitäre Leidenschaft. Immer wieder sagt er „Wir“, auch wenn er sich selbst, seine Erfolgsgeschichte von Grün-Rot meint. So erreicht das Phänomen „Kretschmann“, der erste grüne Ministerpräsident, der binnen fünf Jahren parteiübergreifend die Gunst der meisten Bürger gewonnen hat, die Zuhörer. Das Wir-Gefühl ist spürbar. Die andächtige Stille im Tollhaus auch zwischen fast geflüsterten Sätzen des grünen Pragmatikers mit weitem Horizont und bescheidenen Propheten, der im eigenen Land viel gilt, zeugt von der Bereitschaft, ihm die Rolle des ehrlichen Maklers der Interessen abzunehmen.

Dabei sieht Kretschmann fast nur Erfolge der grün-roten Landespolitik und zählt unter dem Beifall der Zuhörer auf: schneller Ausbau der Flüchtlingsunterkünfte, große Anstrengungen für die Integration der Migranten. Und er zeigt „klare Kante“, der wehrhafte Rechtsstaat dürfe Übergriffe auf Frauen wie in Köln nicht dulden. Dann überschüttet er die Ehrenamtlichen im Land mit Lob, besonders für deren unglaubliches Engagement in der Flüchtlingskrise.

„Ich glaube, das Land ist gut regiert – ökologisch, sozial, wirtschaftlich bärenstark, weltoffen, lebendig, gepflegte Tradition.“ Die Menschen hätten verstanden, wie gut die Grünen regieren können.

Der Ministerpräsident nimmt das Publikum mit auf den Hightech-Höhenflug eines grünen Ländles, wo der ökologische Umbau der Industrie ökonomischen Gewinn bringt und zum globalen Exportschlager wird, der mit dem Vorbild Ba-Wü das Klima schützt und so die ganze Welt ein Stück grüner machen kann. Der Lehrer Kretschmann erklärt die grün-rote Bildungspolitik als Wende zur chancengleichen Gerechtigkeit. Der Ausbau der Kinderbetreuung und das Aufbrechen der starren Strukturen aus Jahrzehnten der Erstarrung einer CDU-Kultuspolitik auch durch die Einführung der Gemeinschaftsschule als Wahlmöglichkeit dürfe nicht mehr zurückgedreht werden. Und dann trägt er doch noch sein Herz auf der Zunge. Die Eröffnung des Nationalparks Nordschwarzwald sei für die grüne Seele Kretschmann bislang der schönste Tag seiner Regierungszeit gewesen. Die Versöhnung von Industrietechnik und Landschaft werde möglich, schwärmt der Naturbegeisterte.

Dafür stehe eben der grüne Politiker, der solide Kretschmann – für „pragmatischen Humanismus“. Darum gehe es auch, um mit der Flüchtlingskrise gut umzugehen. „Unser Land ist christlich geprägt“, sagt er bedächtig. Da ist Asyl natürliches Grundrecht für vor Krieg und Gewalt Flüchtende, die Nächstenliebe das Gebot gerade auch gegenüber dem Fremden. „Das ist ein schwieriger Weg, zwischen Humanismus und Pragmatismus die richtige Mitte zu finden“, gesteht der Redner – und hinter ihm prangt der Wahlslogan der Grünen auf einem sonnendurchfluteten Plakatwald: „Auf dem richtigen Weg“, steht dort geschrieben – und Winfried Kretschmann beschreibt davor als der Landeswegweiser mit bedächtigen Worten die Ziele.

Gewitzt streut er Ironie in seine kurzen Sätze ein. Indirekt erläutert er selbst sein Erfolgsgeheimnis: Zuhören und Zupacken, Nachdenklichkeit und Entschlossenheit, Bewahren und Modernisieren, Ökologie und Ökonomie, Toleranz und „klare Kante“, Integrität und Konsequenz, Solidarität und Kompromiss. Da kann in Baden-Württemberg alles zusammenpassen, und das „Wir“ sich manifestieren in Winfried, dem populären Grünen, dem Ministerpräsidenten, der für alle spricht.Kretschmann_KA3

„Der Herausforderer“ von der CDU wird da nur ganz am Rande mit leisem Spott als ein kleinkarierter Möchtegern abgetan, der von den wirklichen Herausforderungen nichts begreift. Dagegen fühlt sich Kretschmann ganz auf Augenhöhe und in brüderlicher Menschlichkeit mit der Kanzlerin beim Ringen mit der Flüchtlingskrise verbunden. Das Publikum dankt ihm mit warmem Applaus. Jubelstimmung löst der grüne Staatsmanns von Ba-Wü nicht aus. Aber große Zuversicht vermittelt Ministerpräsident Kretschmann, der wertkonservative Fortschrittsmann, als sei er die ehrliche Haut und das gute Gewissen des Landes. Und die Grünen im Tollhaus meinen, dass „Wir“ mit ihm an der Spitze nicht nur die Wahl gewinnen können. Rupert Hustede