a) Erfolgreiche Hochschulen brauchen Freiräume und Verlässlichkeit

Gesellschaften im 21. Jahrhundert stehen vor großen Herausforderungen: Der Klimawandel verlangt eine Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise. Die demographische Entwicklung erfordert Antworten ebenso wie der Umgang mit den Effekten der Globalisierung oder die Frage, wie die Digitalisierung der Alltags- und der Arbeitswelt menschenfreundlich gestaltet werden kann.

Baden-Württemberg als Land des Wissens ist hier besonders gefragt. Zum einen tragen wir als industrielles Kernland bei einigen dieser Zukunftsthemen eine besondere Verantwortung, zum anderen hängt die künftige Stärke des Landes vom Finden technischer und sozialverträglicher Lösungen ab. Als die europäische Forschungs- und Innovationsregion hat Baden-Württemberg die besten Voraussetzungen, zukunftsfähige und kluge Antworten zu generieren.

Neue Formate für neue Herausforderungen

Dazu sind auch neue Formate notwendig. Mit dem Reallabor haben wir ein bundesweit vielbeachtetes Forschungsformat etabliert, in dem Hochschulen, Kommunen sowie Akteur*innen aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusammenkommen, um an ganz konkreten Lösungen vor Ort zu forschen. Dieses erfolgreiche transdisziplinäre Format wollen wir im Rahmen einer landesweiten Strategie für die Nachhaltigkeitsforschung weiter fördern und institutionell verankern – ebenso wie weitere Vorhaben der Wissenschaft zur Umsetzung einer nachhaltigeren Gesellschaft.

Innovationsfähigkeit und Technologietransfer tragen maßgeblich zum Erfolg unserer Wirtschaft und unserer Wissenschaftseinrichtungen bei. In das dichte Netz an Kooperationen zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft wollen wir auch diejenigen kleinen und großen Unternehmen einbinden, die es bislang nicht umfänglich nutzen. Zudem wollen wir die Chancen für Startup- Initiativen verbessern.

Die besondere Stärke der Wissenschaft, neue, innovative Ideen zu entwickeln und die besondere Stärke der Wirtschaft, sie in die Anwendung zu bringen, können durch die Digitalisierung besser und dynamischer zusammengebracht werden als jemals zuvor. In den von der Landesregierung geförderten Forschungsfabriken an Universitäten wie der Arena 2036 in Stuttgart oder dem Energy Lab 2.0 am KIT finden diese Kooperationen bereits statt. Wir wollen solche innovativen Modellprojekte für Industrie 4.0 weiter stärken – auch weil sie eine große Chance zur Verbesserung der Ressourceneffizienz bieten.

Neben der angewandten Forschung und neuen Formaten der praxisnahen Problemlösung steht, für uns unverzichtbar und gleichberechtigt, die zweckfreie Forschung: Wissenschaft par excellence, der neugierige Aufbruch ins Unbekannte zur unermüdlichen Weiterentwicklung des Wissen. Wir setzen uns für eine Fortsetzung der Exzellenzinitiative ein, die Baden-Württemberg als Land der Spitzenforschung weiter stärkt. Dazu muss sichergestellt werden, dass sich das ganze Spektrum der Spitzenforschung in Baden-Württemberg weiterentwickeln kann.

Wissenschaft entsteht nur in Freiheit

Wir GRÜNE stehen dafür, Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Forscherinnen und Forscher bei all diesen Vorhaben bestmöglich zu unterstützen. Da uns die Hochschulautonomie wichtig ist, sehen wir unsere Aufgabe insbesondere darin, die politischen und finanziellen Rahmenbedingungen für die Freiheit von Forschung und Lehre zu schaffen. Hervorragende Wissenschaft braucht ausgezeichnete Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Doch Angst, Unsicherheit und Überlastung sind schlechte Voraussetzungen für freies Denken, Forschen und Lehren.

Daher ist es unser Anliegen, jungen Forscher*innen faire Beschäftigungsverhältnisse und verlässliche Karrierewege zu ermöglichen, vom Beginn der wissenschaftlichen Karriere mit der Promotion über die Postdoc-Phase bis zur Professur. Dazu haben wir im Hochschulfinanzierungsvertrag Regeln zu fairen Beschäftigungsverhältnissen, etwa eine Mindestdauer für befristete Verträge in Wissenschaft, Technik und Verwaltung, verankert. Das neue Landeshochschulgesetz führt verbindliche Vereinbarungen zwischen Betreuer*innen und Doktorand*innen ein, um die Qualität der Promotionsverfahren zu sichern. Ebenso wurde die Gleichstellungsarbeit gestärkt. Die Juniorprofessur haben wir aufgewertet und mit einem verbindlichen Tenure Track versehen, also mit einem geregelten und planbaren Weg zur unbefristeten W3-Professur. Wir GRÜNE werden genau beobachten, ob diese Regelungen greifen oder ob weitere Schritte notwendig sind, um verlässliche, familienfreundliche Arbeitsverhältnisse und besser planbare Karrierewege für Frauen und Männer in der Wissenschaft zu schaffen.

Zu den Rahmenbedingungen erfolgreicher Forschung gehört eine gute Forschungsinfrastruktur. Eine qualitativ hochwertige Lehre kann nicht in bröckelnden Gebäuden und mit Technik von vorgestern stattfinden. Zur grundlegenden Infrastruktur von Hochschulen gehören Lehrsäle und Labore, Gebäude und Großgeräte genauso wie Informationszentren (Bibliotheken und Rechenzentren), virtuelle Lern- und Forschungsumgebungen, eine bestmögliche Netzanbindung und der Zugang zu Höchstleistungsrechnern. Die zusätzlichen Mittel, die wir in den letzten Jahren für die Infrastrukturbedarfe bereitgestellt haben, sind zwar ein guter Anfang, den aufgewachsenen Sanierungsstau und Modernisierungsbedarf anzugehen. Aber sie reichen nicht aus. Deshalb wollen wir GRÜNE die Mittel für die Infrastruktur für Forschung und Lehre weiter aufstocken.

Dabei lohnt es sich, neue Organisationsformen für den Hochschulbau und für die Bereitstellung der Infrastruktur daraufhin zu überprüfen, ob sie effizienter als die heutigen Modelle sind. Bei allen Bau-, Sanierungs- und Infrastrukturvorhaben müssen ökologische Aspekte, innovative Raumkonzepte sowie Fragen der Barrierefreiheit eine maßgebliche Rolle spielen. Das Open-Access-Prinzip beim Zugriff auf wissenschaftliche Veröffentlichungen werden wir weiter ausbauen. Wir setzen uns für Strategien zur digitalen Langzeitarchivierung ein.

Weiterentwicklung und Stärkung der inneren Strukturen: Für uns GRÜNE gilt das wissenschaftsadäquate Leitbild der autonomen Hochschule in gesellschaftlicher Verantwortung. Uns ist wichtig, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen und lehren können, ohne in Abhängigkeiten zu geraten. Hochschulen sind dem Staat gegenüber nicht weisungsgebunden. Sie sind nach innen auf Beteiligung hin ausgerichtet und der Gesellschaft gegenüber rechenschaftspflichtig. Mit dem neuen Landeshochschulgesetz haben wir die Voraussetzungen geschaffen, um in den Hochschulräten unterschiedliche gesellschaftliche Perspektiven zu verankern, Transparenz einzufordern und die demokratisch gewählten Hochschulgremien zu stärken. Jetzt werden wir alles tun, um die Hochschulen dabei zu unterstützen, dieses Leitbild mit Leben zu füllen. Wir begrüßen es insbesondere, wenn Hochschulen von der Weiterentwicklungsklausel im Landeshochschulgesetz Gebrauch machen, um beteiligungsorientierte Strukturen zu erproben die Demokratie an der Hochschule zu stärken oder sich selbst innovative Profile zu geben. Reformbedarf sehen wir hinsichtlich der Konkordatslehrstühle, das sind nicht-theologische Lehrstühle, bei denen noch heute die Kirche ein Vetorecht hat. Hierzu werden wir das Gespräch mit den Kirchen suchen.

Ethik und Verantwortung in der Wissenschaft ernst nehmen

Freiheit bedingt Verantwortung. Es ist daher Aufgabe der Hochschulen, aber auch der Forscherinnen und Forscher, ethische Dimensionen ihrer Arbeit zu reflektieren. Den mit dem neuen Landeshochschulgesetz eingeschlagenen Weg hin zu mehr Transparenz bei Forschungsprojekten gegenüber der Hochschulöffentlichkeit und der Gesellschaft wollen wir deshalb weiterverfolgen. Damit schaffen wir auch die Grundlage dafür, dass Hochschulleitung, Forschende, Mitarbeiter*innen und Studierende sich in an allen Hochschulen verbindlich eingerichteten Gremien mit forschungsethischen Fragen auseinandersetzen können. Wir begrüßen es, wenn Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen Auseinandersetzungen über derartige Fragen institutionell verankern. Im Ergebnis können sie sich beispielsweise für eine Zivilklausel entscheiden, mittels derer sich wissenschaftliche Einrichtungen zur Forschung für zivile Zwecke ausdrücklich bekennen.

Wir GRÜNE setzen uns weiterhin dafür ein, Tierversuche in Forschung und Lehre stark zu reduzieren. Dort, wo noch kein Verzicht auf Tierversuche möglich ist, müssen die Haltungsbedingungen der Versuchstiere höchsten Anforderungen genügen. Um die Einhaltung des Tierschutzes in der Wissenschaft besser kontrollieren zu können, haben wir das Amt der unabhängigen Tierschutzbeauftragten des Landes eingeführt. Das Programm zur Erforschung von Alternativmethoden zum Tierversuch haben wir neu belebt: Mit zusätzlichen Mitteln soll es zu einem über die Landesgrenzen hinaus ausstrahlenden Forschungsschwerpunkt werden. Universitäten und Hochschulen, die Modellprojekte zum tierversuchsfreien Studium in Medizin und Lebenswissenschaften planen, sollen dabei durch Landesmittel unterstützt werden. Wir setzen uns dafür ein, Studierenden künftig die Möglichkeit zu geben, einen universitären Abschluss zu erlangen, auch wenn sie aus ethischen Gründen die Durchführung von Tierversuchen ablehnen. Tierversuche im Studium sollten, wo immer möglich durch Alternativmethoden ersetzt oder an Tieren durchgeführt werden, die nicht eigens zu diesem Zweck getötet werden.