e) Hinterm Horizont geht‘s weiter: Baden-Württemberg in der Welt

Unternehmen aus Baden-Württemberg sind mit ihren Produkten und Dienstleistungen sehr erfolgreich auf dem weltweiten Markt. Das ist eine gute Bedingung dafür, dass Baden-Württemberg auch beim Grünen Wirtschaften Pionier sein kann.

Ökologische Modernisierung: In Europa und weltweit

Die ökologische Transformation der Ökonomie ist unaufhaltsam: Unternehmen haben begonnen, Lieferketten zertifizieren zu lassen. Für andere wiederum ist ihr striktes Öko-Siegel längst ein Vorteil auf dem Markt. Diese Entwicklung wollen wir fördern, indem wir die guten Beispiele bekannter machen. Grüne Technologien, die zu Ressourceneinsparungen in den europäischen Nachbarländern führen und dort die Energiewende voranbringen, tragen auch weltweit zur Verringerung des Rohstoffverbrauchs und zur Verbesserung des Klimaschutzes bei. Das Abkommen der Landesregierung mit dem Bundesstaat Kalifornien und zahlreichen weiteren Regionen weltweit zur Zusammenarbeit beim Klimaschutz ist ein Beispiel, wie wir auch in einem globalen Zusammenhang Verantwortung übernehmen. Aus dem gegenseitigen Austausch von Erkenntnissen, Informationen und Erfahrungen erwächst die Chance, noch wirksamer gegen den Klimawandel vorzugehen und dafür weitere Akteure zu gewinnen.

Die öffentliche Hand muss hier verantwortungsbewusst vorangehen und mit einer fairen, ökologischen und nachhaltigen Beschaffung globale Gerechtigkeit und Umwelt- bzw. Klimaschutz aktiv mitgestalten.

Die GRÜN-geführte Landesregierung wird diesen Kriterien bei der Fortentwicklung der Beschaffungsverordnung weiter Gewicht geben, auch im Hinblick auf die anstehenden EU-Rechtsanpassungen. Wir werden die nachhaltige faire Beschaffung der öffentlichen Hand fortschreiben und die Mitarbeiter*innen in der Verwaltung durch ein breites Schulungsangebot sensibilisieren und unterstützen. Unsere Wirtschaft ist durch globale Wertschöpfungsketten mit vielen Teilen der Welt verbunden. Wir wollen die Globalisierung gerecht mitgestalten und setzen uns deshalb für verbindliche Menschenrechts-, Umwelt-, Arbeits- Transparenz- und Sozialstandards in den globalen Produktionsketten und bei uns in Baden-Württemberg ein, damit unsere Produkte nicht auf Vorprodukten zurückgreifen müssen, die unter ausbeuterischen Bedingungen produziert worden sind oder durch welche Konflikte finanziert werden.

Auf europäischer Ebene engagiert sich Baden-Württemberg dafür, dass Investitionsprogramme gerade in den Staaten Süd- und Osteuropas zur ökologischen Modernisierung und sozialen Weiterentwicklung genutzt werden. Um darüber hinaus die wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Potenziale einer engen Zusammenarbeit zwischen europäischen Partnern zu nutzen, wollen wir bestehende und neue Kommunikationsplattformen ausbauen und zum Beispiel die Donau- und Alpenraumstrategie und den Zusammenschluss „Vier Motoren für Europa“ (Baden-Württemberg, Katalonien, Lombardei, Rhône-Alpes) vertiefen.

Dabei werden ökologische und soziale Aspekte berücksichtigt. Wir setzen uns für eine transparente Mittelvergabe ein und für die Einbeziehung aller gesellschaftlichen Kräfte aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft.

TTIP, CETA und TISA – nur fair und transparent

Baden-Württemberg braucht faire Regeln für internationalen Handel. Es entspricht unserer Überzeugung, dass fairer Welthandel einen Beitrag zum Wohlergehen aller leistet.

Wir wollen erreichen, dass die Abkommen transparent verhandelt werden. Sie sollen nur umgesetzt werden, wenn sie fair und im Einklang mit den Werten sind, auf denen die Europäische Union sich gründet: Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtstaatlichkeit, Wahrung der Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung. Besonderes Augenmerk gilt den Auswirkungen solcher Abkommen auf Schwellen- und Entwicklungsländer. Auch als Nichtbeteiligte sind diese von solchen Abkommen betroffen. Dabei gilt es, ihre wirtschaftliche Kraft im Weltmarkt zu stärken und nicht zu schwächen. Daher haben wir GRÜNE rote Linien gezogen, die klare Grenzen setzen für das Zustandekommen einer Freihandelspartnerschaft zwischen EU und USA.

EU-weit errungene Standards in den Bereichen Umweltschutz, Gesundheit und Soziales, Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Datenschutz müssen unangetastet bleiben. Dazu gehört auch das wichtige und lang erkämpfte europäische Prinzip der Vorsorge, das das Ausmaß und den Eintritt von Schadensfällen in all diesen Bereichen wirksam reduziert. Bestehende Regulierungen werden auf kommunaler, regionaler, nationaler und europäischer Ebene demokratisch fortentwickelt, dies darf nicht von den Vereinbarungen transatlantischer Handelsverträge beeinträchtigt werden. Die Weiterentwicklung unserer ökologischen, sozialen und gesellschaftlichen Standards muss Gegenstand von öffentlichen Prozessen sein und im Rahmen der Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative erfolgen statt hinter verschlossenen Türen – wie zum Beispiel in einem regulatorischen Rat für Kooperation. Genauso dürfen auch unsere Verbraucherrechte nicht eingeschränkt werden, Kennzeichnungspflichten nicht ausgehöhlt und die Qualität unserer Lebensmittel nicht verringert werden. Die Abkommen dürfen keinesfalls durch die Hintertür Gentechnik in Baden-Württemberg einführen.

Investor-Staats-Klagen (ISDS) vor privaten Schiedsgerichten unterhöhlen den Rechts- und den Verfassungsstaat, privilegieren externe Investoren gegenüber heimischen Unternehmen und schwächen die Demokratie. Wir halten sie daher für grundfalsch. Der Schutz von Mensch und Umwelt, der unabhängig von wirtschaftlichen Interessen ist, ist nur durch eine öffentliche Rechtsprechung zu gewährleisten.

Deshalb fordern wir, dass ordentliche staatliche Gerichte für die Streitbeilegung zwischen Investoren und Staaten zuständig sind und ausländischen Investoren keine Sonderrechte gegenüber inländischen Betrieben eingeräumt werden. Ein internationaler Handels- und Investitionsgerichtshof ist für uns nur dann ein geeignetes Gremium, wenn dieser den Klageweg für Investoren und für natürliche Personen eröffnet. Die Investoren dürfen nicht nur Rechte, sondern müssen auch Pflichten haben. Der Gerichtshof könnte im System der Vereinten Nationen verankert sein. Damit können auch andere internationale Verträge Bewertungsgrundlage für Entscheidungen des Gerichtshofs sein, wie zum Beispiel die Klimarahmenkonvention oder die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen.

Nach heutigem Kenntnisstand lehnen wir GRÜNE CETA ab. Insbesondere das Thema Schiedsgerichte sehen wir sehr kritisch. Darum muss die Bundesregierung CETA zwingend nachverhandeln, weil Privilegien für internationale Investoren in diesem Abkommen nach wie vor vorgesehen sind und damit US-Unternehmen die Möglichkeit erhalten würden, mittels kanadischer Tochterfirmen Schiedsgerichtsverfahren gegen EU-Staaten durchzuführen. Mit der neu gewählten kanadischen Regierung sehen wir eine neue Chance, CETA noch zu verändern.

Die öffentliche Daseinsvorsorge – wie etwa die Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung, der Öffentliche Personennahverkehr, Sozialdienstleistungen oder die Gesundheitsversorgung – braucht Bestandsschutz und muss aus den TTIP-Verhandlungen explizit ausgenommen werden. Dies gilt auch für die sensiblen Bereiche Kulturgüter, Verbraucherschutz und Landwirtschaft. Diese Bereiche müssen auch in Zukunft von staatlicher Seite aus regulierbar sein. Nur die Herausnahme der im Gemeinwohlsinne nicht verhandelbaren Bereiche aus den Verhandlungen kann ausschließen, dass sie als Dispositionsmasse für einen Kompromiss enden.

Handelsabkommen dürfen weder direkten noch indirekten Druck zur weiteren Liberalisierung und Privatisierung von Daseinsvorsorgebereichen ausüben oder Möglichkeiten zur Rekommunalisierung, etwa im Energiebereich, einschränken. Wir halten die Verhandlungsmandate der EU-Kommission bei TTIP und TISA für inhaltlich falsch. Wir fordern einen Neustart der Verhandlungen nach diesen Maßstäben.

Mit unseren Forderungen an die Verhandlungen transatlantischer Handelsverträge sind wir nicht allein. Eine breite Allianz im Land setzt sich mit uns für diese Grundsätze ein. Unter unseren Mitstreiter*innen sind kommunale Landesverbände, Vertreter*innen der mittelständischen Wirtschaft, Gewerkschaften, Verbände, Datenschützer*innen, Kirchen, politische Stiftungen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen. Auf Landesebene hat die GRÜN-geführte Landesregierung einen TTIP-Beirat eingerichtet, mit dem wir einen transparenten Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft ermöglichen. Da Baden-Württemberg über den Bundesrat nicht in die Verhandlungen eingreifen kann, fördern wir die gesamtgesellschaftliche Diskussion über TTIP, CETA und TISA auf allen Ebenen.

Jedoch werden wir alle unsere Möglichkeiten nutzen, um den fairen Welthandel voranzubringen. So befürworten wir z.B. die Wiederbelebung entsprechender Prozesse im Rahmen der WTO. Seit 1948 ist mit dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) die Welthandelsorganisation (WTO) als ordnende Instanz für den internationalen Handel begründet. Zwar sehen wir bei der WTO Entwicklungsnotwendigkeiten. Aber gerade angesichts der Globalisierung dürfen die Interessen der Schwellen- und Entwicklungsländer nicht durch bilaterale Regelungen beiseitegeschoben werden.

Entwicklungspolitische Verantwortung leben

Das gemeinsame Engagement für die „Eine Welt“ hat in Baden-Württemberg eine lange Tradition. Wir GRÜNE fühlen uns der Förderung einer nachhaltigen globalen Entwicklung, der Sicherung von Frieden, Gerechtigkeit, Demokratie und Menschenrechten verpflichtet. Unternehmen, an denen das Land beteiligt ist, wollen wir dazu anhalten, die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zu beachten. Entsprechend den entwicklungspolitischen Leitlinien des Landes achten wir bei der Außenwirtschaftsförderung auf die Einhaltung der Menschenrechte, der ILO-Kernarbeitsnormen und der Kriterien einer nachhaltigen Entwicklung. Es geht uns auch darum, bessere Lebensbedingungen und Befriedung in den Krisengebieten und ärmsten Ländern zu schaffen.

Entwicklungspolitische Verantwortung wahrzunehmen ist für uns ein wesentliches Element einer an Nachhaltigkeit ausgerichteten Landespolitik. Wir werden in der Entwicklungszusammenarbeit des Landes inklusive entwicklungspolitische Ziele verankern. Die GRÜN-geführte Landesregierung hat den Dialogprozess „Welt:Bürger gefragt!“ initiiert. Im Rahmen dieses breit angelegten Beteiligungsprozesses wurden Grundsätze für die Entwicklungspolitik des Landes erarbeitet. Von diesen „Entwicklungspolitischen Leitlinien für Baden-Württemberg“ werden wir uns auch in den kommenden Jahren leiten lassen, um weltweit unsere gemeinsame Verantwortung für eine ökonomisch, ökologisch und sozial tragfähige Gestaltung der Zukunft wahrzunehmen. Gemeinsam mit dem institutionalisierten Rat für Entwicklungszusammenarbeit aus Expert*innen der Nichtregierungsorganisationen, Kirchen, Wirtschaft und Wissenschaft, der die Landesregierung berät, wollen wir die Entwicklungspolitik des Landes stärken und noch stärker ausrichten nach dem Ziel der Bekämpfung von Fluchtursachen ausrichten. Wir kritisieren die zunehmenden Rüstungsexporte in Drittstaaten mit schlechter Menschenrechtslage und setzen uns auf Bundesebene für ein Rüstungsexportgesetz ein. Die vom Land errichtete gemeinnützige „Stiftung Entwicklungs-Zusammenarbeit Baden-Württemberg“ (SEZ) werden wir in ihren Initiativen zur Verbesserung und Vertiefung der Entwicklungszusammenarbeit weiter unterstützen.

Ein Beispiel für gelebte Verantwortung ist die Partnerschaft zwischen Baden-Württemberg und Burundi. Die mit dem zentralafrikanischen Staat bereits seit 1985 gepflegte Zusammenarbeit wurde von der GRÜN-geführten Landesregierung gefestigt und durch eine Partnerschaftserklärung auf eine breitere Basis gestellt. Gerade angesichts der aktuell Besorgnis erregenden politischen Entwicklungen in Burundi wollen wir an der Partnerschaft festhalten und sie noch stärker als Graswurzelbündnis mit der Zivilgesellschaft organisieren. Die Einführung einer Koordinierungs- und Servicestelle vor Ort werden wir vorantreiben.