iii. Unsere Leitlinien: Qualität, Verlässlichkeit und Eigenständigkeit

Wir setzen auf Schulen, die eigenständig entscheiden können, wie sie sich pädagogisch profilieren und wo sie Schwerpunkte setzen. Mit wem Schulen Kooperationen eingehen und wie sie Budgets einsetzen, soll stärker in ihrer eigenen Verantwortung liegen. Aus diesem Grund haben wir die Schulkonferenz gestärkt und demokratisiert. Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler treffen jetzt gemeinsam Entscheidungen.

Eine besondere Rolle in der Gestaltung und Lenkung starker, profilierter Schulen kommt den Schulleitungen zu – eine Aufgabe, die in den letzten Jahren an Attraktivität verloren hat. Da die Schulleitungen so wichtig für die Qualität der Schulen sind, werden wir die Entlastungen und Aufgaben, z. B. im Verwaltungsbereich, so ausrichten, dass den Schulleitungen mehr Freiraum für die pädagogische Entwicklung ihrer Schulen zur Verfügung steht. Wir wollen die Attraktivität der Aufgaben in der Schulleitung erhöhen, dafür wollen wir die Bedingungen der Arbeit verbessern. Für die Schulleitungen an kleinen Grundschulen haben wir die

Leitungszeit bereits angepasst, dies sehen wir als einen ersten Schritt. Qualität in der Bildung nachhaltig zu sichern geht nur mit einer fairen und garantierten Finanzierung. Wir wollen daher allen Schulen eine Ressourcengarantie geben. In diesem Zusammenhang haben wir im Schulamtsbezirk Tübingen-Reutlingen einen Modellversuch zur fairen Ressourcensteuerung angestoßen. Die hier gewonnen Erfahrungen werden wir auswerten und das Modell zeitnah auf ganz Baden-Württemberg übertragen. Unser Modell der fairen Ressourcensteuerung sieht vor, dass alle Schulen ein faires und planbares Budget erhalten, mit dem sie eigenverantwortlich ihre Schule gestalten, ihr Profil entwickeln sowie individuelle Fördermaßnahmen umsetzen können.

Unterricht mit Qualität sichern: Auf die Lehrkräfte kommt es an

Die Qualität des Unterrichts hängt ganz besonders von der Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer ab. Unterrichten ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Eine vielfältigere, heterogener gewordene Schülerschaft sowie wie der Anspruch, jedes Kind individuell zu fördern, bringt neue Herausforderungen mit sich. Wir GRÜNE finden, die Wertschätzung dieser Arbeit muss auch in der tariflichen Einstufung abgebildet sein. Die Situation vieler befristet Beschäftigter an den Schulen ist leider weiterhin problematisch. Wir wollen daher in Zukunft den Anteil fest eingestellter Vertretungslehrkräfte erhöhen. Die Personen, die mit befristeten Verträgen über Schuljahre hinweg als Vertretungslehrkräfte arbeiten, sollen sich über die Sommerferien nicht arbeitslos melden müssen. Eine besondere Verantwortung haben wir auch für angehende Lehrkräfte. Wir werden ihren Übergang in den Beruf und ihre Arbeitsbedingungen beim Berufseinstieg verbessern.

Wir haben die Lehrerbildung reformiert, um angehende Lehrkräfte künftig noch besser auf die hohen Anforderungen in der Schule vorzubereiten. Dafür haben wir sie sowohl fachwissenschaftlich als auch bildungswissenschaftlich aufgewertet. Unser Ziel ist es, dass die Regelstudienzeit für das Lehramt an Grundschulen wie in allen anderen Lehramtsstudiengängen auf 10 Semester angehoben wird. Außerdem werden wir in den Lehramtsstudiengängen Modelle ermöglichen, bei denen das Praxissemester im Bachelorstudium durchgeführt wird.

Mit dem neuen Bildungsplan und der Reform der Lehrerbildung haben wir über alle Schularten hinweg zentrale Kompetenzen und Fähigkeiten definiert, die Lehren und Lernen für eine erfolgreiche Zukunft auszeichnen. Wir wollen Lehrpersonen, die nur in einem Unterrichtsfach ausgebildet sind, eine berufsbegleitende Qualifizierung in einem zweiten Fach ermöglichen.

Doch schon heute stehen die Lehrkräfte im Schuldienst vor den komplexer gewordenen Aufgaben. Um sie bei ihrer wertvollen Tätigkeit zu unterstützen, werden wir das Angebot an Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer ausbauen und Möglichkeiten suchen, wie Lehrkräfte entlastet werden können. Innere Schulentwicklung und ein stärkerer Fokus auf Teamarbeit tragen ebenfalls zu einem hohen Qualitätsniveau des Unterrichts bei.

Nach einer umfassenden Phase der Diskussion und Erprobung haben wir mit dem Bildungsplan 2016 nun einen Rahmen für Bildung mit Qualität geschaffen, der zeitgemäß ist. Neben den fachspezifischen Curricula, die erstmals unterschiedliche Kompetenzniveaus in einem Bildungsplan verbinden und damit die Durchlässigkeit fördern, gibt der Bildungsplan Leitperspektiven vor: Als wichtige Zukunftsthemen sind hier Bildung für nachhaltige Entwicklung, Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt, Prävention und Gesundheitsförderung, berufliche Orientierung, Medienbildung und Verbraucherbildung verankert. Durch diese Leitperspektiven sind die Schulen aufgefordert, das friedliche Zusammenleben aller Menschen, die Akzeptanz unterschiedlicher Lebensformen, Präventions- und Berufsfragen ebenso wie zentrale Fragen des Verbraucherschutzes und der Nachhaltigkeit im Unterricht zu thematisieren. Bildung für nachhaltige Entwicklung umfasst auch globales Lernen. Weitere inhaltliche Akzentsetzungen halten wir insbesondere im Bereich der kulturellen Bildung für sinnvoll.

Kunst und Kultur stiften Identität und sind Mittler unserer Werteorientierung; die jungen Menschen sollen frühzeitig Zugang zur vielfältigen Kultur unseres Landes finden. Wir wollen im Hinblick auf die europäische Integration sowie bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt Mehrsprachigkeit und Fremdsprachenerwerb in allen Schulformen fördern.

Bei der Medienbildung ist es uns wichtig, nicht nur den Umgang mit Medien und die eigene Medienproduktion in die Schulen zu bringen, sondern im Hightech-Land Baden-Württemberg bereits am Anfang der Schullaufbahn allen Kindern informationstechnische Grundlagen zu vermitteln und später entsprechende Profilbildungen im Bereich Informatik zu ermöglichen.

Wir werden die Schulen bei der Umsetzung des Bildungsplans weiter auf allen Ebenen begleiten. Zu dieser Begleitung gehört neben Schulungen und Trainings nicht zuletzt eine digitale Bildungsplattform als Bildungsnetzwerk und moderner Lehr- und Lernraum. In diesem Zusammenhang setzen wir uns dafür ein, dass an den Schulen verstärkt freie Lern- und Lehrmaterialien (Open Educational Resources) genutzt werden können.

Schüler*innen sollen schon in der Schule den Wert der Demokratie erfahren können. Dazu gehört auch, dass Demokratie an Schulen gelebt wird. Deshalb wollen die Möglichkeiten zur Mitbestimmung der Schülerinnen und Schülern erweitern. Zusammen mit dem Landesschüler*innenbeirat werden wir geeignete Projekte und Maßnahmen entwickeln.

Inklusion gelingt

Das Recht auf inklusive Beschulung, wie es die UN-Behindertenrechtskonvention verlangt, haben wir im Schulgesetz verankert. Jetzt geht es um eine gelungene Umsetzung. Dafür braucht es gute Rahmenbedingungen und Unterstützung für Lehrerinnen und Lehrer. Bisher hat die GRÜN-geführte Landesregierung 400 zusätzliche Stellen für die Umsetzung der Inklusion an Schulen eingerichtet.

Perspektivisch werden alle Schulen inklusiv, auch wenn nicht jede Schule alles können muss. Damit Schulen den Schritt zur inklusiven Schule leichter vollziehen können, steuert die Schulverwaltung einen Entwicklungsprozess, den wir mit weiteren, zusätzlichen Lehrerstellen unterstützen werden. Außerdem haben wir beschlossen, dass die Kommunen ab dem Schuljahr 2015/2016 bis zum Jahr 2019 insgesamt über 100 Millionen Euro für die Kosten der Inklusion (z.B. für Baumaßnahmen, Schülerbeförderung und Schulbegleitung) vom Land erhalten. Das Antragsverfahren für die Umsetzung inklusiver Beschulung werden wir vereinfachen. Die Bildungspläne und die Konzepte zur Lehrerbildung werden gemeinsam mit den Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderung und gemeinsam mit Menschen mit Behinderung umgesetzt und weiterentwickelt.

Auch mit dem Recht auf inklusive Beschulung können Eltern sich weiterhin für ein sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum, also eine vormalige Sonderschule entscheiden. Auch bei der Inklusion gilt die Wahlfreiheit der Eltern. Wir werden die sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren zu Kompetenzzentren weiterentwickeln, um den Eltern und Kindern dort wie auch an der Regelschule ein sehr gutes Angebot zur Verfügung zu stellen. Wir werden das strukturelle Defizit im sonderpädagogischen Bereich abbauen.

Schule als Lebensraum verstehen

An vielen Grundschulen und an den Gemeinschaftsschulen gehört der Ganztag bereits zum pädagogischen Konzept. Wir möchten auch an anderen weiterführenden Schulen verbindliche Ganztagesangebote ermöglichen und wollen dafür eine gesetzliche Grundlage schaffen, wie wir dies bei Grundschulen getan haben. Ein rhythmisierter Ganztagsunterricht hat dabei eine ganze Reihe pädagogischer Vorteile: Schülerinnen und Schüler erleben Phasen der intensiven, leistungsfordernden Fokussierung auf den Unterricht, die sich mit Phasen der Freizeit und der Bewegung abwechseln. Gleichzeitig entspricht die integrierte, verlässliche Betreuung der Kinder den Wünschen vieler Eltern und erhöht die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit.

Unabhängig davon, ob eine Schule Ganztag anbietet oder nicht, ist es uns wichtig, dass Eltern und Kinder sich auf die Schulzeiten verlassen können. Ein verlässlicher Ganztagsbetrieb kann nur mit qualifiziertem und verlässlich zur Verfügung stehenden Personal gesichert werden. Die Kooperation mit Vereinen, Musik- und Kunstschulen und anderen Anbietern ist wertvoll zur Gestaltung eines lebendigen Begegnungsraums für die Gemeinde und soll, wo immer dies möglich ist, in den Ganztagsschulbetrieb eingebunden werden. Dann wird die Ganztagsschule zum lebendigen Begegnungsraum für die örtliche Gemeinde.

Um auch musisch-kulturelle Bildung chancengerecht zu gestalten, streben wir an, dass jedes Kind, zum Beispiel im Rahmen der Ganztagesschule, im Grundschulalter die Möglichkeit erhält, ein Instrument zu erlernen. Wir wollen Schulen, in denen jedes Kind all seine Talente nutzen kann, um eine bestmögliche Leistungsentwicklung zu erreichen. Die individuelle Förderung soll dabei weiter ausgebaut werden und dafür sorgen, dass das Sitzenbleiben überwunden wird.

Schule ist längst mehr als ein Lernort, sie ist für unsere Kinder auch Lebensraum. Eine gute Schule ist daher eine Schule, in der sich Schülerinnen und Schüler wohl fühlen und in der sie sich optimal entfalten können. Schulsozialarbeit und Betreuung gehören ebenso zu den Tätigkeitsfeldern an den Schulen wie die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer. Unter der GRÜN-geführten Landesregierung beteiligt sich das Land erstmalig an den Kosten für die Schulsozialarbeit – insgesamt mit 55 Millionen Euro in den letzten drei Jahren. Infolgedessen konnte das Angebot im ganzen Land ausgebaut werden und die Zahl der Vollzeitarbeitsplätze ist damit auf über 1.000 Stellen angestiegen. Angesichts der Herausforderungen, vor denen Schulen heute stehen, war das eine dringend notwendige Förderung von Seiten des Landes. Mit der zunehmenden Umsetzung der inklusiven Beschulung kommen weitere Lehrkräfte und Inklusionsbegleiter*innen hinzu. Dabei streben wir das Zwei-Pädagogen-Prinzip an. Wenn Schulen ihre Aufgaben und Tätigkeitsfelder weiterentwickeln, muss sich dies auch in der baulichen Anlage der Schulen und in ihrer technischen Ausstattung widerspiegeln.

Außerschulische Jugendbildung

Außerschulische Jugendbildung ist ein eigener Erfahrungsraum, in dem die Kinder und Jugendlichen wichtige Erfahrungen machen und Schlüsselkompetenzen erwerben. Die Übernahme von Verantwortung, selbst- und mitbestimmte Formen der Beteiligung sowie das Erfahren von Selbstwirksamkeit sind zentrale Voraussetzungen in einer demokratischen und selbstbewussten Bürger*innengesellschaft. Sie helfen Kindern und Jugendlichen dabei, soziale und kulturelle Vielfalt als Bereicherung zu erfahren und mitzugestalten – und aktiv soziale Ausgrenzung und Diskriminierung zu überwinden. Wir wollen den mit dem Zukunftsplan Jugend begonnenen Beratungsprozess mit den Jugendverbänden über eine die gesellschaftlichen Herausforderungen aufnehmende Arbeit fortsetzen und dabei auch für eine nachhaltig angemessene Finanzierung ihrer wertvollen Arbeit sorgen. Ziel ist auch eine verbesserte Kooperation mit den Schulen, ohne dass dabei die Eigenständigkeit und der Eigenwert der außerschulischen Jugendbildung leiden.