XIII. Willkommensland Baden-Württemberg: Wir schaffen das Miteinander

a) Menschlich und mutig handeln: Gemeinsam Verantwortung für Flüchtlinge übernehmen

Weltweit sind mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht. Sie fliehen vor Krieg, Gewalt, Terror und Verfolgung. Viele von ihnen suchen Hilfe in Europa, in Deutschland, bei uns in Baden-Württemberg.

Als chancenreiches und wohlhabendes Land haben wir eine besondere Verantwortung gegenüber Flüchtlingen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil ein Teil der Fluchtursachen auch in der Verantwortung der Industriestaaten liegt. Eine große Verantwortungsgemeinschaft aus Land, Kommunen und Zivilgesellschaft legt ein beeindruckendes Engagement an den Tag, um den Herausforderungen bei der Aufnahme, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen bestmöglich gerecht zu werden. Dafür sind wir dankbar und darauf können wir stolz sein.

Wir GRÜNE begegnen dieser großen humanitären Herausforderung mit einer Haltung der Verantwortlichkeit und Menschlichkeit. Wir sehen die Schwierigkeiten, die wir überwinden müssen. Wir unterschätzen keineswegs die Anstrengungen, die wir als Gemeinschaft unternehmen müssen, um all die Menschen unterzubringen und zu integrieren. Aber wir sehen auch die Chancen und Potentiale – für die Menschen und für unser Land. Diese Chancen wollen wir gezielt fördern und nutzen: Sei es im Hinblick auf den Fachkräftemangel, auf den demografischen Wandel, die Zukunft unserer Sozialsysteme oder die Kreativität in Zivilgesellschaft, Kultur und Wirtschaft. Schon heute hat Migration einen positiven Effekt auf die Wirtschaft im Land. Durch die zu uns kommenden Menschen entsteht Nachfrage. Diese führt zu einem vielfältigeren Angebot, von dem alle im Land profitieren. Zusätzliche Ausgaben für Infrastruktur und Dienstleistungen führen zu Aufträgen, insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen.

Wir werden alles dafür tun, dass die Menschen, die zu uns geflohen sind und bleiben werden, in wenigen Jahren sagen werden: Baden-Württemberg ist meine neue Heimat. Wir werden deshalb die Infrastruktur für Integration in Baden-Württemberg ausbauen und weiterentwickeln, die insbesondere bei Bildung, Arbeit, Wohnen und gesellschaftlicher Integration und sozialer Teilhabe ansetzt.

Wir wollen Flüchtlingen nicht nur Zuflucht gewähren, sondern ihnen ein Leben als Teil unserer Gesellschaft ermöglichen. So werden aus Flüchtlingen unsere neuen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Dafür werden in den nächsten Jahren erhebliche gemeinsame Anstrengungen notwendig sein. Integration stellt Anforderungen an beide Seiten: Wir geben einen Vertrauensvorschuss, investieren in die Zukunft der Menschen, die zu uns kommen und leben eine Willkommenskultur. Von den Flüchtlingen müssen Integrationswille, Leistungsbereitschaft und Offenheit für die neue Umgebung beigesteuert werden.

Die Grundlage unseres Zusammenlebens ist unser Grundgesetz. Seine Werte gelten für alle, die in Deutschland leben, für Einheimische genauso wie für neu Hinzugekommene. Auf dieser Basis können, wollen und werden wir Integration erfolgreich meistern.

Flüchtlingspolitische Maßnahmen in Baden-Württemberg

Die GRÜN-geführte Landesregierung hat durch kraftvolles und koordiniertes Handeln bereits vielfältige Maßnahmen für eine bessere Unterbringung, Betreuung und Integration von Flüchtlingen auf den Weg gebracht: Eine massive Erhöhung der Plätze in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen, ein bundesweit beispielgebendes Registrierungszentrum in Heidelberg mit schnellen und effektiven Verfahren, eine bedeutende Aufstockung der finanziellen Unterstützung für die Kreise und Kommunen, ein Sonderbauprogramm zur Schaffung von Wohnraum für Flüchtlinge und eine bessere Sprachförderung sind nur einige Beispiele für die von uns ergriffenen Maßnahmen. In einer großen Verantwortungsgemeinschaft mit den Kommunen und den vielen haupt- und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern sorgen wir weiter dafür, dass Flüchtlinge bei uns gut aufgenommen, untergebracht und integriert werden.

Wir erleben in Baden-Württemberg eine große Hilfsbereitschaft und einen beeindruckenden Willen zum solidarischen Engagement für Flüchtlinge – und zwar quer durch alle Gesellschaftsschichten, in der Stadt und auf dem Land. Dieser kreative Gestaltungswille ist ein wesentlicher Schritt in Richtung einer gelingenden Integration. Die vielen lokalen Initiativen und Ehrenamtlichen, die sich vor Ort in der Flüchtlingshilfe engagieren und damit unverzichtbare Arbeit leisten, werden wir weiter ermutigen, vernetzen und fördern. Auch den Flüchtlingen wollen wir mehr Möglichkeiten einräumen, sich aktiv für das Gemeinwesen zu engagieren.

Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen

Unsere große Aufgabe und Verantwortung ist es, Flüchtlingen nicht nur Schutz und Unterkunft zu bieten, sondern sie in die Mitte unserer Gesellschaft aufzunehmen. Das wird uns nicht gelingen, wenn wir Flüchtlinge dauerhaft auf der grünen Wiese oder in Gewerbegebieten zwischen Baumärkten und Möbelhäusern ansiedeln. Integration kann nur in sozial durchmischten Stadtvierteln gelingen, in denen Neubürger*innen und Alteingesessene gemeinsam leben. Soziale Brennpunkte am Stadtrand sind der falsche Weg: Sie sperren aus, statt aufzunehmen, sie verbauen Integrationsmöglichkeiten, statt Lebenswege in unsere Gesellschaft zu eröffnen.

Wir wollen Menschen, die bei uns Schutz suchen, nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern ein neues Zuhause bieten. Dank der GRÜN-geführten Landesregierung steht das Land dabei an der Seite der Kommunen. Speziell für die Bereitstellung von Wohnraum für Flüchtlinge hat das Land den Kommunen für die Anschlussunterbringung ein zusätzliches Bauprogramm in Höhe von 60 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Mit der Novellierung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes haben wir bessere Voraussetzungen für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen geschaffen. Wir haben mit der Abschaffung der Residenzpflicht für mehr Möglichkeiten bei der Arbeitsplatzsuche und mehr Freiheit, gerade auch beim Miteinander in Vereinen, für Schulausflüge und Verwandtschaftsbesuche gesorgt. Wir verfolgen das Ziel, die Flüchtlinge dezentral in Wohnungen unterzubringen, mit einer guten Anbindung an das gesellschaftliche Leben und mit Zugang zu Beratungs- und Sprachangeboten. Wir ermutigen die Kommunen, Flüchtlingen über Sozialtickets oder ähnliche, bereits für andere Personengruppen bestehende Angebote den Zugang zu öffentlichen Einrichtungen, wie Büchereien und Schwimmbädern, sowie die Nutzung des ÖPNV zu ermöglichen. Denn je schneller Integration beginnen kann, umso schneller werden.

Flüchtlinge zu einem aktiven Teil unserer Gesellschaft

Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen ist die Gewährleistung und Sicherstellung einer angemessenen Unterbringung derzeit die vordringliche Aufgabe. Trotz der damit verbundenen Herausforderungen wollen wir auch dafür Sorge tragen, den Bedarfen besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge gerecht zu werden. Das enge räumliche Zusammenleben in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften gewährleistet nur eine eingeschränkte Intim- und Privatsphäre. Diese Situation kann das Auftreten von Konflikten begünstigen und auch Gelegenheitsstrukturen für Gewalt bieten. Insbesondere Kinder, Jugendliche, LSBTTIQ-Menschen, Frauen, Schwangere und gebrechliche Menschen haben einen spezifischen Schutz- und Unterstützungsbedarf. Sie vor Diskriminierung und Gewalt zu schützen, muss Aufgabe von Gewaltschutzkonzepten sein. Darüber hinaus sind Mindeststandards für die Unterbringung erforderlich. Notwendig sind Unterkünfte oder zumindest Räume, in denen insbesondere Frauen, Schwangere und Mütter mit Kindern unter sich sein können. Auch sollten kultursensible Informationsangebote in zielgruppenspezifischer Ausgestaltung vorhanden sein, die über konkrete Hilfeangebote informieren. Zur Sicherung der Rechte von Flüchtlingen und bei Beschwerden in persönlichen Angelegenheiten ist die Ombudsstelle für die Flüchtlingserstaufnahme in Baden-Württemberg als wichtige Anlaufstelle zu stärken.

Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen verbessern

Durch die schnellstmögliche Einführung einer Gesundheitskarte wollen wir Flüchtlingen einen unbürokratischen Zugang zu medizinischer Versorgung eröffnen und gleichzeitig Verwaltungsaufwand reduzieren und damit Kosten senken. Endlich wurde auf Grüne Initiative hin die bundesgesetzliche Grundlage dafür geschaffen. Mit der Gesundheitskarte müssen Flüchtlinge künftig nicht mehr zuerst zum Amt gehen, bevor sie einen Arzt aufsuchen können. Zudem wird der Impfschutz für Flüchtlinge verbessert und anerkannte Asylbewerber*innen erhalten einen besseren Zugang zu psychotherapeutischer Betreuung. Auch illegalisierten Menschen wollen wir sichere und angemessene medizinische Behandlungsmöglichkeiten anbieten und ihren Zugang zur Gesundheitsversorgung verbessern. Unter den Menschen, die zu uns kommen, sind vermehrt auch Flüchtlinge mit Behinderung. Um auch für sie eine frühe Integration erreichen zu können, wollen wir Maßnahmen ergreifen, die Teilhabebarrieren und Barrieren in der gesundheitlichen Versorgung minimieren.

Dafür werden wir auch die Vernetzung von Flüchtlingshilfe und Behindertenhilfe unterstützen.

Eine besondere Sorgfalts- und Fürsorgepflicht haben wir gegenüber traumatisierten Flüchtlingen. Die GRÜN-geführte Landesregierung hat die Psychosozialen Zentren, die spezialisierte Behandlungsangebote für diese Menschen vorhalten, besser ausgestattet, da viele der Flüchtlinge fürchterliche Schicksale zu verarbeiten haben. Es ist für uns ein Gebot der Humanität, dass wir das Angebot zur psychosozialen Versorgung von traumatisierten Flüchtlingen weiter ausbauen werden. Mit der Aufnahme von Frauen und Mädchen aus dem Nordirak, die dort Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind, hat die GRÜN-geführte Landesregierung ein wichtiges und bundesweit beispielgebendes Signal für den Flüchtlingsschutz gesetzt. Im Rahmen dieses Kontingents sollen bis zu 1000 Frauen und Mädchen Zuflucht und Sicherheit in Baden-Württemberg finden.

Wege zur Sprache, ins Bildungssystem und in den Arbeitsmarkt eröffnen

Sprache ist eine Grundvoraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und den Zugang zum Arbeitsmarkt. Arbeit schafft eine Perspektive, gibt den Menschen Selbstvertrauen und erleichtert die Integration. Deshalb hat die GRÜN-geführte Landesregierung das Programm „Chancen gestalten – Wege der Integration in den Arbeitsmarkt öffnen“ auf den Weg gebracht. Das Ziel ist es, die beruflichen Qualifikationen und Fähigkeiten der Flüchtlinge frühzeitig zu erheben, ihnen schnellen Zugang zu Sprachkursen zu ermöglichen und damit gleichzeitig auch die Zugangshürden zum Arbeitsmarkt abzubauen. In enger Abstimmung mit den Kreisen und Kommunen wollen wir landesweit kommunale Netzwerke zur Arbeitsmarktintegration – auch mit Unterstützung der Wohlfahrtsverbände – aufbauen. Dahinter steht unser Wunsch, Flüchtlinge schnellstmöglich ins Arbeitsleben zu integrieren, weswegen wir ihnen Möglichkeiten für Praktika, Ausbildungen und Nachqualifizierungen eröffnen wollen. Der Bund muss endlich die bürokratische Vorrangprüfung abschaffen, die auch von der Bundesagentur für Arbeit, von Unternehmen und Verbänden als überflüssiges Hindernis kritisiert wird. Die Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen muss schnell und unbürokratisch möglich sein. Arbeitsagenturen und Jobcenter brauchen zusätzliche Gelder, um die Flüchtlinge mit mehr geschultem Personal zu unterstützen. Ebenso müssen die Mittel für Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen, aber auch Dolmetscherleistungen, aufgestockt werden, denn die Flüchtlinge brauchen wie alle Erwerbslosen Chancen und Perspektivenauf dem Arbeitsmarkt.

Viele baden-württembergische Unternehmen und Handwerksbetriebe versuchen mit großem Engagement, jungen Flüchtlingen eine berufliche Zukunft in Baden-Württemberg zu eröffnen. Wir GRÜNE werden uns weiter dafür einsetzen, rechtliche Vorschriften zu beseitigen, die die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt behindern. So hat die GRÜN-geführte Landesregierung auf Bundesebene bereits eine Initiative gestartet, um Asylbewerber*innen während der Schul- und Berufsausbildung einen neuen Aufenthaltstitel zu geben. Gemeinsam mit dem Handwerk und großen Teilen der Wirtschaft machen wir uns weiterhin für die „3 plus 2“-Regelung stark: Keine Abschiebung während der dreijährigen Ausbildung und den sich anschließenden ersten beiden Beschäftigungsjahren.

Bildungsgerechtigkeit in einem Land äußert sich auch darin, wie junge Menschen integriert werden, die in unserem Land Zuflucht und Schutz suchen. Bei der Integration von Flüchtlingen kommt dem gesamten Bildungssystem eine besondere Bedeutung zu. Beispielsweise stellen die besonderen Bedürfnisse traumatisierter Flüchtlingskinder eine neue Herausforderung für Erzieherinnen und Erzieher dar. Sie müssen in ihrer Ausbildung entsprechend geschult werden, um auf diese Bedürfnisse kompetent eingehen zu können.

Eine herausragende Rolle spielen auch die Vorbereitungsklassen an den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, in denen Flüchtlinge und andere Kinder und Jugendliche in vergleichbaren Lebenssituationen in enger Zusammenarbeit mit Schulsozialarbeit und Jugendberufshilfe fit gemacht werden für den regulären Schulunterricht und wo sie die Sprachkompetenz für eine Lehre oder ein Studium erwerben können. Damit neu eingewanderte Kinder und Jugendliche in unserer Gesellschaft richtig ankommen können und die beste Chancen für die Zukunft erhalten, hat die GRÜN-geführte Landesregierung über 1000 neue Lehrerstellen für Vorbereitungsklassen zur Verfügung gestellt. Wir treten dafür ein, dass Flüchtlingskindern der Schulbesuch zeitnah ermöglicht wird.

Auch die Öffnung der Hochschulen für Studieninteressierte, die als Flüchtlinge nach Baden-Württemberg kommen, ist ein Zeichen für eine wachsende Bildungsgerechtigkeit unter der GRÜN-geführten Landesregierung. Mit dem neuen Landeshochschulgesetz ermöglichen wir – im Rahmen der bestehenden Zugangs- und Zulassungsvoraussetzungen – die Aufnahme eines Studiums unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Daneben haben wir Flüchtlingen den Zugang zu Studierendenwohnheimen, Krankenversicherung, Beratung und sozialer Betreuung erleichtert. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst haben wir ein erfolgreiches Studienförderprogramm für Flüchtlinge aus Syrien aufgelegt, das wir ausweiten wollen.

Humanität hat Vorrang

Flüchtlinge verlassen ihre Heimat nicht leichtfertig, sondern aus existenzieller Not und unter großem Druck. Das Asylrecht gehört zum Kernbestand einer humanen Gesellschaft und hat in Deutschland aufgrund seiner historischen Verantwortung eine besondere Bedeutung für die Demokratie. Es bietet denen Schutz, die unter politischer Verfolgung leiden und um Leib und Leben fürchten müssen.

Das Recht auf Asyl für politisch Verfolgte ist kein Gnadenakt, sondern ein Grundrecht. Dieses Recht ist eine große zivilisatorische Errungenschaft und nicht verhandelbar. Es ist schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich, Obergrenzen für ein Grundrecht einzuführen. Auch Beschränkungen beim Familiennachzug erteilen wir eine Absage. Ehe und Familie stehen unter besonderem Schutz. Flüchtlinge von ihren Familien zu trennen erschwert die Integration und zwingt noch mehr Frauen und Kinder auf lebensgefährliche Wege nach Europa.

Für uns GRÜNE hat Humanität bei asylpolitischen Entscheidungen Vorrang. Menschen, die zu uns kommen und deren Antrag auf Asyl abgelehnt wird, können nicht bei uns bleiben und müssen unser Land wieder verlassen. Für uns ist hierbei klar, dass die freiwillige Rückkehr Vorrang vor der zwangsweisen Rückführung hat. Deshalb setzen wir auf eine aktive Rückkehrberatung und gezielte Rückkehr- und Reintegrationshilfen. Das Vorgehen muss bei jedem abgelehnten Asylantrag auf Grundlage der „Leitlinien des Innenministeriums Baden-Württemberg für die Rückkehr- und Abschiebepraxis“ geprüft werden. Dabei erwarten wir, dass humanitäre Abschiebehindernisse berücksichtigt und Familien nicht getrennt werden. Wir lehnen Abschiebungen in Länder mit prekärer Sicherheitslage, wie sie derzeit zum Beispiel in Afghanistan besteht, ab.

Die GRÜN-geführte Landesregierung hat die Leitlinien für eine humanitäre Einzelfallprüfung erstmals transparent und öffentlich einsehbar gemacht. Auf Bundesebene setzen wir uns dafür ein, die Abschiebehaft perspektivisch abzuschaffen und sie durch mildere Mittel (zum Beispiel Meldeauflagen) zu ersetzen. In der Praxis ist sie ohnehin kaum relevant, die Anzahl der Betroffenen bewegt sich in Baden-Württemberg in der Regel im einstelligen Bereich.

Europa muss neue Wege in der Flüchtlingspolitik gehen

Es ist ein Skandal, welche Flüchtlingskatastrophen sich Jahr für Jahr im Mittelmeer abspielen. Menschen setzen an den Grenzen Europas ihr Leben aufs Spiel. Damit muss endlich Schluss sein. Wir werden uns weiter für eine gemeinsame und humanitäre europäische Flüchtlings- und Asylpolitik und gegen die Abschottung Europas einsetzen. Die europäische Freizügigkeit stellt für uns ein unantastbares Gut dar, zu dem wir uns bekennen. Unser Ziel ist es, die Dublin-III-Verordnung abzuschaffen und durch ein faires System für Schutzsuchende zu ersetzen. Wir müssen dabei zu einer gerechten Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas kommen. Europa muss ein einheitlicher Schutzraum mit legalen und sicheren Zugangsmöglichkeiten für Flüchtlinge werden. Das Konstrukt der angeblich „Sicheren Herkunftsländer“ halten wir weiterhin für falsch, da das Asylrecht als Schutzrecht für Individuen keine Pauschalurteile zulässt.

Fluchtursachen bekämpfen

Die Bundesregierung muss sich auf europäischer und internationaler Ebene mit Nachdruck für eine europäische Strategie zur Stabilisierung der fragilen Lage in vielen Herkunftsländern und für ein entschlossenes Handeln der internationalen Staatengemeinschaft zur Bekämpfung von Fluchtursachen einsetzen. Der Balkan muss wirtschaftlich vorangebracht und stabilisiert, die Zusammenarbeit mit der Türkei intensiviert werden. Flüchtlingslager vor Ort, beispielsweise im Libanon oder in Jordanien, brauchen unsere stärkere, dauerhafte und verlässliche Unterstützung, um eine angemessene Grundversorgung zu gewährleisten, damit die Menschen nicht von dort weiterziehen müssen. Eine politische Lösung für Syrien muss konsequent angegangen und die vielen Probleme und Konflikte in Afrika verstärkt in den Blick genommen werden. Auch mit einer verfehlten EU-Handelspolitik werden Fluchtursachen geschaffen, wenn Unterdrückungsregime gestärkt und örtliche Lebensgrundlagen zerstört werden, wie dies zum Beispiel bei den EU-Fischereiabkommen geschieht.

Die Flüchtlingskrise kann nur durch eine konsequente gemeinsame Anstrengung auf europäischer und internationaler Ebene wirksam gelöst werden. Wir werden unseren Beitrag dazu leisten. Mit großer Sorge beobachten wir die Situation der Roma auf dem westlichen Balkan, aber auch in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wie Bulgarien, Rumänien oder Ungarn. Wir werden uns weiterhin entschlossen dafür einsetzen, dass die Bundesregierung und die Europäische Kommission Druck auf diese Staaten ausüben, dass sie die Rechte von Minderheiten wie der Roma achten und ihre Lebenssituation nachhaltig verbessern. Eine zentrale Fluchtursache für Menschen aus dem Balkan ist Perspektivlosigkeit. Dies betrifft nicht nur, aber insbesondere die Minderheiten. Ein erster wichtiger Schritt zu besseren Chancen ist der von uns auf Bundesebene erstrittene legale Zugangsweg in den deutschen Arbeitsmarkt für Menschen aus dem Westbalkan. Sie haben in aller Regel keine Chance auf Anerkennung als Asylsuchende, können sich nun aber als gesuchte Arbeitskräfte eine neue Zukunft aufbauen. Wir treten dafür ein, dass dieser Weg weiter ausgebaut wird und dass dabei insbesondere auch spezifische Programme für Roma aufgelegt werden.