XIV. Lebendige Gesellschaft: Für eine Politik des Ermöglichens

Selbstbestimmung ist ein grundlegender Wert unserer politischen Arbeit. Damit Menschen selbstbestimmt leben können, sind Chancengerechtigkeit und Teilhabe wichtige Voraussetzungen. Leider sind in unserer Gesellschaft Chancen nicht in jeder Hinsicht gleich verteilt. Politik muss daher die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass jede und jeder ermutigt wird, das Leben zu führen, das sie oder er führen möchte.

Für uns GRÜNE sind alle Menschen gleich: Frauen wie Männer, queer wie hetero, alt wie jung, von hier wie von fern. Und wir schätzen an Baden-Württemberg besonders, dass hier Vielfalt keine bloße Worthülse ist, sondern tatsächlich gelebt wird. Dieser Haltung unserer Bürgerinnen und Bürger möchten wir durch unsere Gesellschaftspolitik Wertschätzung entgegenbringen. Wir werden unermüdlich dort weiter Ungleichheiten beseitigen, wo Menschen – aus welchen Gründen auch immer – Steine in den Weg gelegt bekommen. Wir GRÜNE stehen für eine Politik, die ermöglicht.

a) Die Hälfte der Macht den Frauen – auch in den Chefetagen

Wir GRÜNE stehen dafür, dass Frauen wie Männern alle Wege gleichermaßen offenstehen und dass sie ihr Leben selbstbestimmt gestalten können. Ein Kernanliegen Grüner Politik ist es deshalb, die Gleichberechtigung der Frau in allen Lebens- und Arbeitsbereichen durchzusetzen und strukturelle Benachteiligungen zu überwinden. Wir wollen Geschlechtergerechtigkeit in allen Bereichen der Landespolitik nachhaltig verwirklichen. Deshalb überprüfen wir alle Entscheidungsprozesse auf ihre Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frau und Mann (Gender Mainstreaming) und den Einsatz von Haushaltsmitteln nach dem Grundsatz der Geschlechtergerechtigkeit (Gender Budgeting).

Mehr Frauen in Führungspositionen und in die Parlamente

Frauen sollen die Möglichkeit haben, genauso selbstverständlich und unbehindert in Führungspositionen zu kommen wie Männer. Die Hälfte der Macht und der Verantwortung den Frauen – das ist unser Ziel. Denn nur so können sich bestehende Machtsysteme in Wirtschaft und Politik ändern. Die Frauenquote ist der Schlüssel für eine gerechte Repräsentation von Frauen in den Entscheidungsgremien von Politik und Wirtschaft. Die Realität in den Führungsetagen der Wirtschaft ist von einem Frauenanteil von 50 Prozent allerdings noch weit entfernt. Auch wenn die Frauenquote von 30 Prozent, die der Bundestag beschlossen hat, ein Anfang ist, reicht uns das keinesfalls aus. Daher kämpfen wir dafür, dass Baden-Württemberg vorbildlich vorangeht, was Frauen in Führungspositionen anbetrifft, sei es in der Wirtschaft, in der öffentlichen Verwaltung oder in der Justiz, indem wir eine entsprechende Frauenförderung betreiben.

Mit dem neuen Chancengleichheitsgesetz wird die gezielte berufliche Förderung von Frauen im öffentlichen Dienst in Baden-Württemberg erheblich verbessert. Wir wollen echte Gleichstellung erreichen und schaffen mit den Chancengleichheitsplänen in Unternehmen die Voraussetzungen dafür, mehr Frauen in Spitzenpositionen zu bekommen sowie Beschäftige bei der Vereinbarung von Familien- und Pflegearbeit mit dem Beruf zu unterstützen. Ebenfalls sind nach dem neuen Chancengleichheitsgesetz alle Gremien, in die das Land Personal entsendet, zu mindestens 40 Prozent mit Frauen zu besetzen. Das Chancengleichheitsgesetz schreibt außerdem für alle Landkreise und Städte ab 50.000 Einwohner*innen eine hauptamtliche Chancengleichheitsbeauftragte vor.

Der Landtag von Baden-Württemberg ist mit einem beschämend geringen Frauenanteil bundesweit Schlusslicht bei der parlamentarischen Repräsentation von Frauen. Deshalb treten wir weiterhin für eine Reform des Landtagswahlrechts hin zu einer Landesliste ein, um über mögliche Quotierungen mehr Kandidatinnen die Chance zu geben, ins Landesparlament gewählt zu werden. Auch auf kommunaler Ebene ist es unser Ziel, den Frauenanteil in den Gemeinderäten und Kreistagen deutlich zu erhöhen. Ähnlich dem französischen Parité-Gesetz setzen wir uns für eine verbindliche Quote für die Kommunalwahllisten ein. Sowohl auf Landes- als auch auf Kommunalebene ist unser Ziel eine geschlechterparitätische Besetzung der Parlamente.

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit

Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Wir wissen allerdings, dass bei der gleichen Bezahlung von Frauen und Männern noch gehöriger Nachholbedarf besteht. Zwischen den Durchschnittsgehältern von Frauen und Männern klafft noch immer eine erhebliche Lücke. Mit Lohnmess- und Arbeitsbewertungsverfahren wie dem sog. „eg-check“, der für Entgeltgleichheit steht, können solche Verdienstunterschiede sichtbar gemacht werden. Wir werden daher dieses Instrument verstärkt zum Einsatz bringen. Wir wollen eine eigenständige Existenzsicherung von Frauen, um sie vor finanziellen Notlagen und Altersarmut zu schützen. Darüber hinaus setzen wir uns für die Entwicklung eines Monitorings für Chancengerechtigkeit in den Kommunen und in der öffentlichen Verwaltung ein. Der Abbau von unsicheren und prekären Beschäftigungsverhältnissen ist uns ein weiteres wichtiges Anliegen.

Dazu gehören vor allem die Minijobs, denn sie blockieren Aufstiegsmöglichkeiten und verhindern eine eigenständige Existenzsicherung von Frauen. Auf Landesebene bieten wir Frauen mit dem Programm „Kontaktstellen Frau und Beruf“ eine individuelle Beratung zu allen beruflichen Fragen, von der beruflichen Orientierung, über den Wiedereinstieg bis zur beruflichen Weiterentwicklung. Dieses Engagement werden wir fortführen und ausbauen, denn Frauenförderung findet nicht nur in den Führungsetagen statt.

Null Toleranz für Gewalt an Frauen

Wir GRÜNE treten konsequent für den Schutz von Frauen vor jeglicher Gewalt ein. Mit dem Landesaktionsplan gegen Gewalt an Frauen wird betroffenen Frauen überall im Land Schutz und Unterstützung geboten. Wir werden die Umsetzung des Landesaktionsplans weiter begleiten und sicherstellen, dass er seine Ziele erreicht. Jede vierte Frau hat in ihrem Leben schon einmal Gewalt erfahren, zu Hause, am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit oder im Internet. Frauen, die aus ihrem Umfeld vor Gewalt fliehen, suchen – oft auch mit ihren Kindern – Schutz im Frauenhaus. Für uns ist die Versorgung der von Gewalt betroffenen Frauen eine zentrale Aufgabe von Staat und Gesellschaft. Denn Gewalt gegen Frauen ist kein individuelles, sondern ein strukturelles Problem. Deshalb werden wir eine dauerhafte Absicherung der Frauenhausfinanzierung gewährleisten und das Platzangebot in Frauenhäusern durch die Festlegung von regionalen Mindestplatzzahlen sichern. Ebenso werden wir uns für einen verlässlichen Zugang zu Beratung in Frauenhäusern für die Betroffenen einsetzen, unabhängig von ihrem Einkommen, Wohnort oder auch Aufenthaltsstatus. Da eine flächendeckende Kostenregelung bislang gescheitert ist, sind wir für eine zweijährige Finanzierung, auch der Anschlussversorgung, durch die Gemeinde, in der die Frau zuvor ihren Wohnsitz hatte. Unsere grundsätzliche Forderung aber bleibt die Sicherstellung einer flächendeckenden Finanzierung durch den Bund.

Menschen in der Prostitution müssen besonders geschützt und unterstützt werden. Vor diesem Hintergrund kämpfen wir entschieden gegen Menschenhandel, insbesondere zum Zweck der sexuellen Ausbeutung. Uns ist das Recht auf Selbstbestimmung im Umgang mit Prostitution ein wichtiges Anliegen. Deshalb lehnen wir die Kriminalisierung und Stigmatisierung von Menschen in der Prostitution ab. Wir wollen aber Menschen in der Prostitution und insbesondere in der Armutsprostitution gezielt vor Ausbeutung schützen und ihre rechtliche und soziale Situation verbessern. Frauen und Männer, die aus der Prostitution aussteigen wollen, werden wir durch Aussteigerprogramme dabei unterstützen. Mit einem „Runden Tisch Prostitution“ wollen wir mit allen beteiligten Gruppen Probleme und Handlungsmöglichkeiten diskutieren, um nachhaltige Verbesserungen zu erreichen.