Liebe Karlsruher Freundinnen und Freunde,
Wahljahr. Schlechte Umfragewerte für uns GRÜNE. Anlass für Nervosität, zweifellos.
Ich schreibe euch aus Israel, kurze Delegationsreise zu den Themen Wasser und Bau, bei uns im Umweltausschuss regelmäßig in üblicher Koalition-Opposition-Streitkultur abgehandelt, hier Themen die über Leben und Tod entscheiden. Die 4-Tage-Reise passte kaum in meinen Terminkalender, kurz zuvor Erkältungsattacke, gespeist aus Stress und Frust, ich sollte es besser lassen, dachte ich.
Und jetzt? Wie gut, raus aus der Berliner Blase zu sein, aus den Plenar-Debatten, die immer aggressiver werden, weil niemand weiß, wie die Wahl ausgehen wird und wie die nächste Bundesregierung aussehen wird. Raus aus der Fraktion, die ratlos ist, wie sie auf die fallenden Umfragewerte noch reagieren soll. Das Gespenst der AfD einfach mal beiseiteschieben.
In diesem Land hier, das nicht zur Zwei-Staaten-Lösung findet, geht es für viele Menschen täglich ums Überleben. Die Themen Freiheit-Sicherheit-Terror, mit denen bei uns in Deutschland derzeit übergroße Teile der Gesellschaft ins Bockshorn gejagt werden, sind hier gelebter Alltag, fester Bestandteil der Realität. Bei uns bedeutet der Terror dagegen ein Minimum der Gefahr, die Autoverkehr, Krankenhauskeime oder Stickoxyde darstellen. Die verlogene Diesellobby verantwortet mehr Tote in Deutschland als der Terrorismus. Ein kurzzeitiger Blick von außen auf Deutschland macht klar, wie verschoben die politische Debatte ist.
Es geht, liebe Freundinnen und Freunde, in diesem Wahlkampf nicht in erster Linie um Regierungsbeteiligung. Die ist für mich nach wie vor ein Ziel, aber es geht in erster Linie darum, in unserer Gesellschaft wieder ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was die langfristigen, die tatsächlich gefährdenden Bedrohungen sind. Das sind nicht Flüchtlinge, woher, in welcher Zahl und aus welchem Grund sie auch kommen, das ist letztendlich auch nicht der Terrorismus – das ist die Ignoranz gegenüber den Grenzen des Planeten:
Klimazerstörung, Rückgang der Artenvielfalt, Vermüllung der Meere, Abholzung des Regenwaldes. Ressourcenausbeutung, Plastikflut, Atommüllberge. Das sind die langfristigen Fragen der Menschheit. Und es gibt grüne Antworten auf diese Fragen. Jede und jeder von euch kennt sie. Jede und jeder von euch kann sie geben. Und das müssen wir tun in den Wochen und Monaten bis zum 24. September. Unsere Konzepte für die Energie- und Verkehrswende, den ökologischen Umbau der Wirtschaft, eine Landwirtschaft, die gesunde Nahrungsmittel ohne Tierquälerei produziert, sind durchdacht und umsetzbar. Dafür werben wir bei den Menschen. Und wenn sie nicht zu uns kommen, gehen wir zu ihnen. Ja, ich will an die Haustüren gehen, sobald die Sitzungszeit in Berlin zu Ende ist. Und ich freue mich, wenn ihr mich begleitet!
Lasst uns alles dafür tun, die Debatten in Deutschland wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Auch in der alles beherrschenden Thematik von Sicherheit, Terrorismus und Fremden im Land.
Ich will Sicherheit nicht kleinreden. Sie ist – soweit leistbar – elementar wichtig für Freiheit und Selbstentfaltung. Aber wie leicht und schnell wird das Bedürfnis nach Sicherheit instrumentalisiert, um ganz Anderes durchzusetzen. Im Schatten der AfD vollzieht die Bundesregierung derzeit innenpolitisch einen Rechtsruck, der noch vor wenigen Jahren nicht vorstellbar gewesen wäre. Alles ist wieder sagbar, selbst die “Leitkultur” feiert fröhliche Urständ. Der Innenminister definiert sie mit Händeschütteln, Leistung, Geschichte, Religion, Patriotismus, Kleiderordnung. Trennend soll sie sein, die deutsche Leitkultur. Das ist aber nicht das heutige Deutschland und das soll es auch nicht werden. Individuelle Freiheit und Pluralismus der Lebensstile, das ist Deutschland! Das weltoffene Deutschland, das gerade wir GRÜNE aus dem miefigen Nachkriegsdeutschland der 50er und 60er Jahre gestaltet haben – entsprechend unserem Grundgesetz, das schon immer eine liberale Grundordnung beschreibt. Weltoffenheit, Rechtsstaat, Menschenwürde – das ist deutsche Leitkultur und die werden wir weder von der AfD noch von der CSU noch von einem durchgeknallten Innenminister zerschlagen lassen. Nein, wir sind nicht Burka, aber wir sind auch ganz bestimmt nicht De Maizière!
Und wie sieht es aus mit der Gerechtigkeit, mit der Solidarität? Sie ist unter die Räder der Globalisierung gekommen, in Europa wie in Deutschland. Die Rezepte von gestern, mit denen Rechtspopulisten wie vielfach auch die Linken in Europa oder auch Schulz bei uns Versprechungen machen, sind aber brüchig geworden unter den veränderten Rahmenbedingungen. Selbstverständlich gilt für uns GRÜNE, dass Steuern gerechter werden müssen, dass Kinder grundabgesichert werden müssen und Arbeit Existenz sichernd sein muss. Bürgerversicherungen müssen das Kastenwesen in der Altersversorgung und der Krankenversicherung beenden. Das reicht aber nicht, um individuelle Freiheit, gesellschaftliche Teilhabe und Würde zu garantieren. Ihr kennt mich als eine Anhängerin des bedingungslosen Grundeinkommens. Ich habe für unser Wahlprogramm den Antrag gestellt, dass wir in der nächsten Legislatur ein Modellprojekt BGE in Deutschland beginnen wollen. Es ist die einzige Stelle, an der ich in die Substanz unseres Wahlprogramms eingreifen will, weil uns der Mut, Sozialpolitik endlich auf den Boden eines anderen Menschenbildes zu stellen, gut ansteht. Zukunft wird aus Mut gemacht!
Und es gilt gemeinsam den Anti-Europäer*innen von rechts und links die Stirn zu bieten. Der letzte verheerende Krieg ist zu lange her, als dass die Gesellschaft noch echte Erinnerung daran hätte. Aber Geschichte ist dazu da, gehört, gelesen, erzählt zu werden. Und wir müssen ja nur einen Blick in die Welt werfen, nach Syrien, Mali, den Jemen, Afghanistan oder Palästina (dahin woher die Flüchtlinge kommen!), um zu wissen, welches Glück wir haben an diesem Ort der Welt zu leben. An diesem Ort, der EU! Sie zu erhalten ist allein deshalb bei aller Verbesserungswürdigkeit jede Mühe wert! Auch darum geht es in diesem Wahlkampf. Die EU “gleicher” machen, solidarischer, ja, aber sie nicht relativieren!
Liebe Karlsruher GRÜNE, wir werden in Baden-Württemberg in dieser Wahl einen besonderen Tribut leisten müssen. Weil wir mit unserer grün geführten Landesregierung das stärkste grüne Bundesland sind und weil Winfried Kretschmanns Politik zumindest von den Botschaften her (sichere Herkunftsländer, kein Abschiebestopp nach Afghanistan, Studiengebühren für ausländische Studierende…) das Leben für die Bundespartei oft schwer macht. In Baden-Württemberg wiederum sind es die fünf Städte Stuttgart, Tübingen, Freiburg, Heidelberg und Karlsruhe, die in den letzten Bundestagswahlen in unterschiedlicher Reihenfolge die besten Zweitstimmenergebnisse brachten. Karlsruhe muss und wird auch dieses Mal wieder seinen angemessenen Beitrag zum Wahlergebnis leisten. Es gibt eine Kandidatin, eine Wahlkampfkommission, Mitarbeiter*innen die nicht (ganz 😉) ehrenamtlich unseren Wahlkampf organisieren – aber die wichtigsten Menschen für ein gutes Ergebnis seid ihr:
Nur mit euch an den Infoständen, bei den Veranstaltungen, auf der Straße, im täglichen Austausch mit Kolleg*innen, Nachbarn und Zufallsbegegnungen wird es gelingen, die Karlsruher Wähler*innen in großer Anzahl von der Unverzichtbarkeit der GRÜNEN zu überzeugen. Wer sonst soll sich um die Grenzen des Planeten kümmern – die einzigen Grenzen, die der homo sapiens tatsächlich braucht und sichern muss.
Schlechte Umfragewerte geben Anlass zur Nervosität, klar. Wir sind auch nur Menschen. Sie geben keinen Anlass für Panik. Sie sind auch kein Anlass, die Ausrichtung unseres Wahlprogramms, die Wahl unserer Spitzenkandidat*innen oder sonst etwas Grundlegendes fünf Monate vor der Wahl zur Debatte zu stellen. Sie sind kein Anlass in harte Konflikte mit unserer erfolgreichen grün-schwarzen Landesregierung zu gehen.
Sie sind Anlass zu kämpfen! Um jede Wählerin, jeden Wähler, um jede Stimme. Es lohnt sich! Für uns. Vor allem aber für die Sache, unsere Sache: Klima- und Umweltschutz, Weltoffenheit, Solidarität, Europa. Grün.
Ich bitte euch, mich in diesem Wahlkampf nach Kräften zu unterstützen. Ich weiß, ihr habt alle ausgefüllte Tage – Familie, Job, Ehrenämter. Und ihr macht alle schon auf die eine oder andere Weise Politik. Trotzdem bitte ich euch. Robert Habeck schrieb in seiner Antwort auf Harald Martensteins Abgesang auf die GRÜNEN: “Die Zeit der GRÜNEN hat gerade erst begonnen“. Recht hat er! Lasst es uns in Karlsruhe zeigen, alle miteinander.
Einladung zum Mitgliederfest
Um uns zusammen auf den Wahlkampf einzustimmen, möchte ich euch einladen: Am 13. Mai zu einem Fest, an dem wir grillen und chillen, lernen und lachen, Spaß haben und es Ernst meinen.
Wir treffen uns ab 16:30 Uhr beim Waldklassenzimmer (Kanalweg, nördlich vom Adenauerring hinter Turnverein; https://goo.gl/maps/9uTWFT5U54J2). Um 17:00 Uhr starten wir eine geführte Tour zum Erkunden des Geländes und im Anschluss werden wir gemeinsam grillen. Aus organisatorischen (und kulinarischen) Gründen, bitte um Eintrag in das Doodle (http://doodle.com/poll/s6mspgwidrisx3fp) oder Zusage an info@gruenekarlsruhe.de.
Ich freue mich, wenn DU kommst.
Herzliche Grüße aus Tel Aviv
Sylvia