Am Donnerstag, den 15. Februar fand im Niddasaal der Herbert-Schweizer-Begegnungsstätte Grötzingen die vierte Klimadiskussion statt, diesmal mit dem Thema „Fortschritte und Baustellen der Klimapolitik – global, regional, kommunal“. Die Ortsvereine der SPD und der Grünen hatten dazu die Öffentlichkeit eingeladen.
Zu den Fragen, wo wir im Jahr 2024 mit unserer Klimapolitik stehen, wie wird konkret gehandelt und was müsste in Anbetracht des aktuellen Status Quo geschehen, um uns dem Ziel der Klimaneutralität wirksamer und vor allem schneller anzunähern, konnten die ca. 80 Zuhörer vier interessante Impulsvorträge der Referenten hören, die dazu unterschiedliche Ansätze vorstellten.
Globale Herausforderung
Zuerst erläuterte Dr. Franz Baumann, bis 2015 bei den Vereinten Nationen und zuletzt in der Funktion Berater für Umweltfragen und Friedensmissionen, heute Mitglied des Herausgeberrats der Zeitschrift Environment und Mitglied von Scientists for Future, dass nur noch Randgruppen die globale Klimakrise als nicht von Menschen gemacht ansehen würden. Der Klimawandel findet nicht nur hier und da auf der Erde statt, sondern stellt die größte globale Herausforderung aller Zeiten dar. Wenn nicht deutlicher gehandelt würde, würden aus wissenschaftlicher Sicht die Folgen und die Kosten ins Unermessliche steigen. Er zeigte vier Verweigerungsstrategien auf, denen die Menschen unterliegen:
- Die Erderhitzung wird missinterpretiert und bagatellisiert.
- Die Klimakrise brauche eine rein technologische Lösung.
- Die Klimakrise sei auf der Erde nur ein Problem von vielen.
- Resignation.
Der Preis für Energie ist im internationalen Vergleich zu niedrig im Vergleich zu einem gerechten Preis, der die Folgekosten des Klimawandels in Betracht ziehen würde. Das erschwere das nötige Finden einer kollektiven Antwort, die für die Zukunft der menschlichen Zivilisation nötig wäre.
Technologisches Know-how
Als nächstes sprach Prof. Dr. Hartmut Schmeck, emeritierter Professor am KIT und Direktor am Forschungszentrum Informatik. Laut ihm sind die nötigen Ziele in der Gesetzgebung bereits vorhanden, aber die Umsetzung fehlt. Bezugnehmend auf eine Aussage von Baumann, Deutschland sei für 1% des emittierten CO2 verantwortlich, wies er darauf hin, dass Deutschland als starkes Exportland Technologien exportiert, die auf der Verwendung von fossilen Energieträgern basiert. Würde Deutschland Technologien basierend auf erneuerbaren Energien exportieren – das Wissen dazu sei vorhanden – wäre sein Einfluss auf den Klimawandel wesentlich größer.
Prof. Schmeck zeigte auf, dass dabei das Betrachten der Gewinnung erneuerbarer Energien nur eine Seite der Problemlösung darstellt. Wichtig ist auch, den Verbrauch in den Blick zu nehmen. Sowohl die schwankenden Zeiten des Bedarfs an Energie als auch der Größe des Bedarfs müssen intelligent gesteuert werden, denn Wind- und Sonnenenergie sind nicht rund um die Uhr an 365 Tagen gleichermaßen verfügbar.
Mediale Berichterstattung
Schmeck sprach ein weiteres Thema an, dem alle Referenten zustimmen konnten: der medialen Berichterstattung über die Fakten. Selten würden sachliche Informationen verbreitet. Bestimmten Medien ginge es sogar mehr um Panikmache, um das Schüren von Unsicherheit und Angst. Er nannte dazu die Meldung einer großen Boulevard-Zeitung „Deutschland geht der Strom aus“. Stattdessen müsste man positive Beispiele publik machen und zeigen wie Alternativen funktionieren.
Soziale Gerechtigkeit
Als Dritter sprach Paul Schilling. Er ist Student in Heidelberg, Klimaaktivist bei Fridays-For-Future und engagiert im Klimaforum der SPD. Sein Ansatz lautete: Wir wissen, dass wir etwas tun müssen. Wir wissen, was wir tun können. Wie bekommen wir die Leute dazu, auch zu handeln?
Es braucht einen gesellschaftlichen Aufbruch. Dass dieser nicht in der nötigen Stärke stattfindet, läge seiner Überzeugung nach am Verhältnis von Klimaschutz und politischer Führung. 70 % der Menschen wären bereit, sich zum Wohle des Klimaschutzes zurückzunehmen. Diese Menschen müssten koordiniert werden. Sie müssten Vertrauen haben, dass sich ihr Einsatz lohnt und dass es eine gerechte Lastenverteilung gibt. Die soziale Gerechtigkeit ist ein entscheidender Grundstein des Klimaschutzes.
Kommunale Umsetzung grüner Klimapolitik
Bettina Lisbach ist Bürgermeisterin für Umwelt und Gesundheit der Stadt Karlsruhe.
Sie berichtete, wie weit die Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes in Karlsruhe vorangekommen ist und welche Maßnahmen zurzeit in Umsetzung sind. 2020 hat der Karlsruher Gemeinderat das „Klimaschutzkonzept 2030“ beschlossen. Das Konzept umfasst einen Katalog mit 75 Maßnahmen. Lisbach zeigte auf, was in den nächsten Jahren noch in Karlsruhe getan werden muss, um auf den Zielpfad der Klimaneutralität bis 2040 zu gelangen. Die Handlungsfelder reichen von einer klimaneutralen Strom- und Wärmeversorgung über emissionsfreie Mobilität bis hin zu Klimaschutz in der Stadtverwaltung und im Privathaushalt.
Lösungsfelder Mobilität und Kommunikation
Nach all diesen vielfältigen Informationen konnte das Publikum Fragen stellen und mit den Referenten diskutieren. Auf Grund der fortgeschrittenen Zeit wurde der Fokus auf zwei Themen gerichtet, die den Zuhörern am meisten am Herzen lagen: Mobilität und Kommunikation.
Wieso wird so lange über einen einzelnen Parkplatz diskutiert, wenn das Thema doch global von Bedeutung ist?
Für Baumann ist das eine typisch deutsche Frage. Er stimmte zu, warnte jedoch: „Langsam gewinnen ist so viel wie verlieren.“ Man müsse die Wichtigkeit des Themas viel stärker betonen und die Kommunikation dazu müsse klar und eindeutig sein. Lisbach wies darauf hin, dass es in einer Demokratie bei der Umsetzung widerstreitende Kräfte gibt. Die Realität des Findens von guten Lösungen sei Auseinandersetzung miteinander. Jeder müsse gehört werden.
Eine Zuhörerin fragte: „Wie sollte man die Klimakrise besser kommunizieren, wie nimmt man die Menschen mit?“
Baumann hält es für notwendig, den Menschen reinen Wein einzuschenken und die tatsächliche Größe des Problems darzustellen. Laut Schilling sagten viele Menschen pauschal, dass die Klimakrise ein großes Problem ist. Auf näheres Nachfragen hin würden dann jedoch andere Themen in den Vordergrund gerückt. Es brauche ein tiefes und realistisches Verständnis der Lage. Außerdem verwalte man ein wirtschaftspolitisches Erbe, das klar den fossilen Energien den Vorzug gibt. Dort sozusagen eine Rebellion, einen Kipp-Punkt in einem demokratischen System zu schaffen, das sei die große Aufgabe.
Von einem Zuhörer wurde gefordert, dass man mehr mit Bildern und weniger mit Fakten kommunizieren sollte. Bilder seien wesentlich eingängiger. Damit könne man mehr und besser Menschen beim Verständnis der Sachverhalte mitnehmen.
Dem stimmte auch Schmeck zu. Bilder seien wichtig. Vor allem positive Bilder müssten stärker verbreitet werden.
Die Veranstaltung entfaltete viel Energie und hätte gerne noch weiter gehen können. Zuhörer wie Referenten hätten noch viel zur Klimadiskussion 2024 beitragen können. Doch nach mehr als zwei Stunden musste mit einem Fazit des Abends – leider – zunächst ein Schlussstrich gezogen werden.
Publikum. ca. 80 interessierte Teilnehmer; Foto: Klaus Schoo