Ein Mensch seiner Klasse? – Class, Race, Gender and Beyond

v.l.n.r.: Vicky Otto, Niko Riebel, Farhad Alsilo, Alexandria Dritschler, Beate von Malottki, Atahan Demirel, Pascal Haggenmüller, Fadime Tuncer, Ceren Akbaba. Fotos auf dieser Seite von Silke Acker, Jesko Schwarz und Kerstin

Am 6. Juli 2022 fand mit „Ein Mensch seiner Klasse? – Class, Race, Gender and Beyond“ die erste Diskussionsveranstaltung des Diversitätsrats statt.
Das Thema Diversität ist das Stichwort der Stunde und hoch aufgeladen. Ob Politik, Werbung oder Unternehmen – überall ist die Rede von Diversität, Vielfalt und Teilhabe. Gemeinsam mit sechs Diskutant*innen, die auf unterschiedliche Weise politisch aktiv sind, haben wir darüber gesprochen, wie wir es tatsächlich allen Menschen gleichermaßen ermöglichen können, sich politisch zu beteiligen. Dabei war es uns wichtig ein „Safe Space“ zu öffnen, wo jede*r seine Gedanken mitteilen kann.

Zunächst haben wir uns gefragt, welche ausgrenzenden Mechanismen es – auch innerhalb unserer eigenen Partei – gibt, die eine gleichberechtigte politische Teilhabe aller Menschen verhindern. Wir stellten fest, dass es wichtig ist, offene Räume zu erschaffen, in denen jede Person sich zugehörig fühlt und gerne das Wort ergreift. Auch, wenn sie kein perfektes Deutsch spricht, oder keine Fremdwörter und Fachausdrücke verwendet. Wir haben überlegt, wie Veranstaltungen barrierefrei zugänglich gemacht werden. Dabei geht es einerseits darum, dass Räume auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich sein müssen. Es geht aber auch darum, Treffen zu unterschiedlichen Tageszeiten und in hybriden Formaten anzubieten, um beispielsweise Berufstätigen oder Menschen mit kleinen Kindern eine Teilnahme einfacher zu machen. Atahan Demirel, Kreisvorstand der Grünen Stuttgart, betonte, dass insbesondere Armut viele Menschen ausschließt. Weil es ihnen an Zeit und finanziellen Mitteln mangelt, ist es ihnen oft nicht möglich, politisch aktiv zu werden. Insoweit entscheidet die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Klasse darüber, welchen Zugang Menschen zu politischem Engagement haben. Hinzu wirkt sich die soziale Klasse oftmals auf die Selbstsicherheit bzw. Selbstverständlichkeit aus, mit der man politische Räume betritt. Um dies zu ändern und um Klassen aufzubrechen, bedarf es aus Atahans Sicht insbesondere einer stärkeren staatlichen Umverteilung von Vermögen.

Fadime Tuncer, Landtagsabgeordnete der GRÜNEN, und Sprecherin für Integration berichtete darüber, wie sie während eines Kommunalwahlkampfs 2021 durch rassistische Kommentare angegriffen wurde und deswegen umso besser nachvollziehen kann, warum Menschen sich alleine gelassen fühlen. Als sie sich zur Wehr setzte, wurde ihr von Seiten der Presse vorgeworfen, sie sei eine schlechte Verliererin und instrumentalisiere ihre Herkunft. Fadime betonte, wie wichtig es gewesen wäre, in dieser Zeit mehr Unterstützung und Rückhalt gerade auch aus ihrer eigenen Partei zu erfahren. Künftig müssen wir uns stärker und ganz öffentlich solidarisch zeigen mit Personen, die aufgrund ihrer Identität auf menschenverachtende Weise angegriffen werden. Denn nur so schaffen wir Strukturen, in denen Menschen mit Vielfaltsmerkmalen eingeladen sind, sich politisch zu engagieren und das auch längerfristig zu tun.

Erster Teil
Pascal Haggenmüller
Erster Teil

Im zweiten Teil der Veranstaltung suchten wir gemeinsam nach möglichen Lösungsansätzen und sprachen darüber, wie wichtig wirksames Empowerment und gegenseitige Solidarität sind. Beate von Malottki, stellvertretende Vorsitzende des Beirats für Menschen mit Behinderung der Stadt Karlsruhe, berichtete davon, wie es sie ermutigt habe, als sie im Studium Menschen mit Behinderung kennengelernt habe, die sich zusammengeschlossen hätten und für ihre Belange eingetreten seien. Farhad Alsilo, Schüler und Autor, erzählte uns, wie er die Gelegenheit gehabt habe, mit einem Youtuber die Geschichte seiner Flucht aus dem Irak zu teilen. Die vielen positiven und ermutigenden Reaktionen, die er daraufhin erhalten habe, hätten ihn dazu gebracht, weiterzumachen. Denn er wolle Menschen, die Gewalt und Vertreibung erlebt haben, eine Stimme geben. Alexandria Dritschler, Sprecherin von queerKAstle e.V., hat sich entschieden, politisch aktiv zu werden, weil sie frustriert über gesellschaftliche Missstände war. Begegnungen mit anderen Betroffen, z.B. auf dem CSD (Christopher Street Day), hätten ihr viel Kraft gegeben. Sie betonte, dass sie als Trans-Person nicht auf dieses Merkmal reduziert werden wolle. Sie interessiere sich etwa für Energiepolitik und wolle nicht gezwungen sein, sich ausschließlich für die Rechte queerer Menschen einzusetzen.
Allgemein schwinge in dieser Art des politischen Engagements oft die Reduktion eines Menschen auf nur ein Merkmal mit (migrantisch, queer, schwul, lesbisch, körperlich behindert, …). Der Mensch ist aber holistisch und intersektional zu betrachten, auch das müsse man immer wieder in diesen Debatten in Erinnerung rufen.

Publikum
Zweiter Teil

Am Ende des zweiten Teils gab es nochmal reichlich Raum für Fragen und Kommentare aus dem Publikum. Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass Zuhörer*innen dabei einige sehr mutige Fragen gestellt und sehr persönliche Perspektiven mit uns geteilt haben. Wir hoffen, durch unsere Veranstaltung einen Auftakt für eine nachhaltige Beschäftigung mit Teilhabechancen und für eine Öffnung unserer Partei gesetzt haben.

Danke an alle Rednerinnen und Redner und das Publikum für die intensive und respektvolle Debatte! Wir danken auch Pascal Haggenmüller für seine Einführung ins Thema und COLA TAXI OKAY, dass sie im Anschluss an die Diskussion für gute Laune gesorgt haben.

COLA TAXI OKAY

Unsere Teilnehmenden:

Farhad Alsilo, Schüler und Autor

Atahan Demirel, Delegierter Baden-Württembergs zum Bundesdiversitätsrat der Grünen, Sprecher der LAG QueerGrün

Alexandria Dritschler, Sprecherin von queerKAstle e.V.

Pascal Haggenmüller, Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg,

Beate von Malottki, Stellvertretende Vorsitzende des Behindertenbeirats der Stadt Karlsruhe

Niko Riebel, Karlsruher Stadtrat, Fachsprecher für Menschen mit Behinderung/Inklusion sowie Queerpolitik

Fadime Tuncer, Grüne Landtagsabgeordnete, Sprecherin für Integration