Podiumsdiskussion zum Thema „Anonymer Krankenschein“ im Grünen Zimmer am 30. Juni 2023

140 Jahre nach der Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung durch Bismarck in Deutschland…

…leben trotz Versicherungspflicht geschätzt etwa eine Million Menschen ohne Krankenversicherungsschutz in Deutschland.

Wer ist betroffen?

– Menschen ohne festen Wohnsitz 

– Menschen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus

– Menschen aus einem EU-Land, in dem keine gesetzliche Krankenversicherungspflicht besteht

– Privat versicherte Menschen, die sich die Beiträge nicht mehr leisten können 

Was bedeutet das für diese Menschen?

Menschen ohne Versicherungsschutz vermeiden es in der Regel, einen Arzt oder ein Ärztin aufzusuchen oder kommen erst dann, wenn es fast nicht mehr anders geht. Für Kliniken sind sie aufgrund der ungeklärten Finanzierungssituation ein wirtschaftliches Risiko, sie erhalten dort meist lediglich eine Notfallversorgung und auch das häufig erst nach Vorkasse. Insbesondere die Behandlung chronischer Erkrankungen und aufwendige hochpreisige Therapien, z.B. bei Krebserkrankungen, sind nicht oder nur nach großem ehrenamtlichen Engagement möglich.

Und was bedeutet es für das Gesundheitssystem?

Die Versorgungssituation von Menschen mit ungeklärtem Versicherungsstatus ist für alle Beteiligten unbefriedigend. Für Kliniken stellt sie ein Risiko dar, da die Behandlungskosen – wenn überhaupt – nur mit großem Aufwand eingetrieben werden können. Die Ärzteschaft und das Behandlungsteam steht zwischen dem moralischen Anspruch an die eigene Arbeit und einem wirtschaftlichen Risiko bzw. klaren Vorgaben seitens der Klinikleitung. Und die betroffenen Patient:innen… stehen „vor der Tür“ der solidarischen Krankenversicherung.

Welche Möglichkeiten gibt es?

Bundesweit gibt es verschiedene Initiativen, die sich um Menschen ohne Versicherungsstatus bemühen, beispielsweise die Medinetze. In einigen Ländern wie Thüringen oder Rheinland-Pfalz gibt es darüber hinaus den sogenannten „Anonymen Krankenschein“ oder Clearingstellen, die sich darum bemühen, Menschen in das System der gesetzlichen Krankenversicherung zu überführen.

Allen, die mehr über diese Thema erfahren möchten, können wir den kurzen Beitrag aus den Tagesthemen vom 29. Juni 2023 ans Herz legen: 

Wer hört, wie dankbar Hanna ist, wieder mit frisch versorgten Wunden am Bein weiterziehen zu können und wie überschwänglich sich Sasho für eine längst überfällige Leistenbruch-OP bedankt („Danke, danke, dankeschön!“), der spürt, dass wir hier noch Einiges zu tun haben – mittendrin in Deutschland: https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL3RhZ2Vzc2NoYXUuZGUvMGNjZTVhZDYtNDNlNS00ODAyLTgzZTgtMDljYTczNGU4ODc3/

Weitere Infos gibt es darüber hinaus auf der Seite https://anonymer-behandlungsschein.de/ und einen nützlichen Handlungsleitfaden unter https://www.koopwohl.de/handlungleitfaden-anonymer-behandlungsschein-veroeffentlicht/

Vielen Dank an Nele Wilk von der Clearingstelle Krankenversicherung Rheinland-Pfalz, an Ralf Pilgrim vom Medinetz Karlsruhe, an den Landtagsabgeordneten Norbert Knopf und an Stadtrat Niko Riebel für die sehr informative Podiumsdiskussion, die am 30. Juni 2023 im „Grünen Zimmer“ stattgefunden hat. Hier zeigte sich einmal mehr, dass wir hier vor Ort noch Einiges zu tun haben – aber auch Einiges tun können…

Packen wir´s an…

HIER findet ihr die Veranstaltungspräsentation

Foto: Christofer Leschinger