2. Treffen das AK Gesundheit

Am 02. August 2022 fand das zweite Treffen des AK Gesundheit statt. Scott Gilmore von „Pro Medic“ brachte uns die Situation des Rettungsdienstes in Karlsruhe näher:

Organisation des Rettungsdienstes ist Ländersache

Die Organisation des Rettungsdienstes ist Ländersache, so dass sich bundesweit sehr unterschiedliche Systeme entwickelt haben. Kleinere regionale Anbieter haben eine schwierigere Ausgangssituation im Vergleich zu den großen etablierten Anbietern (DRK, Malteser, ASB, etc.), zumal es deutliche Verbindungen zwischen den großen Verbänden und dem für den Rettungsdienst zuständigen CDU-geführten Innenministerium gibt. 

Das aktuelle Vergütungssystem führt zu unnötigen Transporten und Krankenhausaufenthalten

Vergütet wird hier in Baden-Württemberg lediglich die Transportleistung, so dass ambulante Einsätze, bei denen die Patientin oder der Patient nicht transportiert wird, auch nicht vergütet werden. Darüber hinaus gibt es eine „Transportpflicht“ für den Rettungsdienst, das heißt, die Besatzung eines Rettungswagens darf den Transport eines Patienten oder eine Patientin nicht ablehnen, auch wenn es hierfür eigentlich keine Indikation gibt. Nur der Notarzt kann ggf. entscheiden, dass kein Transport erfolgt, wofür dieser jedoch vor Ort kommen muss. Ein Transport zum niedergelassenen Facharzt wird ebenfalls nicht vergütet, so dass der Transport in der Regel in ein Krankenhaus erfolgt. Das Krankenhaus wiederum benötigt eine Diagnose, um einen Patientenfall abrechnen zu können, so dass selbst Bagatellfälle Diagnosecodes (ICDs) und abrechenbare Fallpauschalen (DRGs) generieren. Diese Systematik führt somit zu nicht zwingend notwendigen Transportfahrten und Krankenhausfällen und führt darüber hinaus zu einer zusätzlichen Belastung der Notaufnahme mit „Bagatellfällen“ oder „Patient:innen mit häuslichen Versorgungsproblemen“ ohne medizinische Indikation.

Die Einhaltung der Hilfsfristen wird in Karlsruhe zunehmend schwieriger

In den vergangenen Monaten zeigte sich eine deutlich Zunahme der Einsatzzahlen in der Region Karlsruhe, so dass es zunehmend schwieriger wird, die Hilfsfristen (möglichst nicht mehr als 10 Minuten, höchstens 15 Minuten) einzuhalten. Karlsruhe ist bei der Einhaltung der Hilfsfristen aktuell Schlusslicht im landesweiten Ranking. Die aktuelle Verkehrssituation (z.B. Verzögerung der Freigabe des Tunnels unter der Kriegsstraße, aber auch „Verkehrsversuche“ („Reallabor“, z.B. Verengung der nördlichen Karlsstraße auf eine Fahrspur und Sperrung für den Durchgangsverkehr)) erschwert aktuell das Durchkommen des Rettungsdienstes in unserer Stadt, insbesondere auf der Ost-West-Achse. Hinzu kommt eine unausgewogene Verteilung der Rettungswachen und Notarztstandorte und auch der Klinikstandorte im Stadtgebiet, wodurch die Anfahrtzeiten in einigen Stadtteilen ebenfalls vor allem nachts relativ lange sind. 

Bei Bauprojekten ist eine frühe Einbindung der Rettungsdienste notwendig

Insbesondere beim Bau der U-Strab hat sich gezeigt, dass eine frühzeitige Einbindung der Rettungsdienste in die frühen Planungsphasen von Bauprojekten dringend notwendig ist. Leider zeigen sich hier bei der U-Strab deutliche Defizite, die nun teure Nachrüstungen notwendig machen. Die grüne Gemeinderatsfraktion hat dieses Thema in einem Antrag aufgegriffen und sich dafür eingesetzt, dass insbesondere beim Bau des Badischen Staatstheaters und des Kongresszentrums eine bessere Einbindung der Rettungsdienste erfolgt. 

Bei der Organisation des Rettungsdienstes gibt es noch Luft nach oben

Der Vortrag von Scott und die anschließende Diskussion haben deutlich gezeigt, dass es bei der Organisation des Rettungsdienstes auf Landesebene, aber auch ganz konkret hier vor Ort in Karlsruhe, noch deutlichen Optimierungsbedarf gibt. Nur eine enge Zusammenarbeit zwischen den professionellen Helfer:innen der Rettungsdienste und der Kommunalverwaltung wird langfristig eine gute Versorgung der Bevölkerung in Karlsruhe sicherstellen. 

Vielen Dank an Scott Gilmore für den interessanten Vortrag. Das nächste Treffen des AK Gesundheit findet am 07. September um 19 Uhr im Grünen Büro statt. Zwei Mitglieder bereiten einen Vortrag zur aktuellen Situation in der Pflege vor.

Scott Gilmore von „Pro Medic“