ii. Für eine Bildungslandschaft, die sich an Kindern und Jugendlichen orientiert

Für uns ist sonnenklar: Jedes Kind und jeder Jugendliche soll sich bestmöglich entwickeln können. An dieser Prämisse haben sich unsere Aktivitäten in der ersten GRÜN-geführten Landesregierung orientiert, und daran muss die Gestaltung der Bildungslandschaft weiter ausgerichtet werden. Das Kind steht am Anfang und im Zentrum unserer Bildungspolitik. Wir wollen auch weiterhin in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten für stetige Verbesserungen im Schulsystem sorgen.

Unsere Grundschulen: ein starkes Fundament

Die Grundschule ist oft entscheidend für den weiteren Bildungserfolg, deshalb ist sie für uns von besonderer Bedeutung. Grundschulen, die vor besonderen Herausforderungen stehen, wurden von uns bereits mit 180 zusätzlichen Lehrerstellen ausgestattet, damit Kinder mit besonderem Förderbedarf, zum Beispiel in der Sprachförderung, besser unterstützt werden können. Diese Verbesserungen werden wir fortsetzen. Wir werden die Grundschulen auch in den nächsten Jahren weiter stärken und bei ihrer wichtigen Arbeit unterstützen.

Die anspruchsvolle und vielfältige Arbeit, die Rektor*innen an Grundschulen leisten, haben wir durch zusätzliche Freiräume bei der Leitungszeit gestärkt. Die Lehrkräfte werden wir ebenfalls entlasten, indem wir ihre Arbeitsbedingungen verbessern und weitere pädagogische Innovationen, z. B. bei der Leistungsbeurteilung, ermöglichen. Mit dem neuen Bildungsplan kommen wir den gewachsenen Herausforderungen in den Fächern Deutsch und Mathematik nach, indem wir deren Stundenzahl um vier Stunden erhöhen.

Seit dem Schuljahr 2014/15 haben wir den Ganztag in der Grundschule und in der Grundstufe der Förderschulen gesetzlich verankert. Den Schulen stehen dabei unterschiedliche Modelle zur Auswahl, um auf die Bedürfnisse vor Ort flexibel reagieren zu können. Mittlerweile haben sich viele Schulen im Land zu Ganztagsschulen nach dem neuen Konzept weiterentwickelt. Wir stellen die dafür notwendigen Lehrerstellen zur Verfügung und werden auch für den weiteren Ausbau die erforderlichen Stellen schaffen.

Wir GRÜNE unterstützen einen weiteren Ausbau der Ganztagsschulen ausdrücklich, denn Ganztagsschulen sind nicht nur wichtig für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zu Chancen- und Bildungsgerechtigkeit. Wir werden dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen für die Ganztagsgrundschulen evaluiert und weiter verbessert werden.

Grundschulen sind heute schon Schulen, an denen die ganze Vielfalt unseres Landes sichtbar wird. Diese Vielfalt ernst zu nehmen bedeutet auch, Möglichkeiten zu schaffen, um Kindern mit Migrationshintergrund regulär an den Schulen ihre Muttersprache als Unterrichtsfach anzubieten. Diese Mehrsprachigkeit wollen wir auch in Hinblick auf die europäische Nachbarschaft fördern. Überall dort, wo er nachgefragt wird, wollen wir den islamischen Religionsunterricht als reguläres Schulfach anbieten. Wir werden außerdem sicherstellen, dass landesweit ab der ersten Klasse Ethikunterricht angeboten werden kann. Dies werden wir mit Initiativen zur Stärkung einer didaktisch fundierten und praxisrelevanten Ausbildung von Ethiklehrkräften an den baden-württembergischen Universitäten flankieren.

Durchlässigkeit zwischen den Schulformen gewährleisten

Indem wir die verbindliche Grundschulempfehlung abgeschafft haben, haben wir nicht nur die Elternrechte gestärkt, ganz nebenbei hat sich dadurch auch die Gesprächskultur und das partnerschaftliche Verhältnis zwischen Lehrer*innen und Eltern verbessert. Wo vorher oftmals Auslese nach sozialen Kriterien stattfand, werden nun differenziert die individuelle Lern- und Leistungsentwicklung sowie die Stärken und Potenziale der Kinder beurteilt. Damit Bildungswege offenbleiben, muss die Durchlässigkeit zwischen den verschiedenen Schulformen und pädagogischen Konzepten gewährleistet sein. Unsere baden-württembergische Schullandschaft steht auf zwei gleichwertigen Säulen, zwischen denen durchlässige Übergangsmöglichkeiten vorgesehen sind. Die eine Säule bilden die allgemeinbildenden Gymnasien. In der anderen Säule entwickeln sich die Haupt-, Werkreal-, Real- und Gemeinschaftsschulen zu integrativen Schulen. Dabei setzen wir auf Freiwilligkeit und nicht auf Zwang.

Mit der Gemeinschaftsschule haben wir seit dem Schuljahr 2012/13 in Baden-Württemberg eine lange gewünschte Schulform eingeführt, die leistungsstark und zugleich sozial gerecht ist. Die Gemeinschaftsschule verwirklicht längeres gemeinsames Lernen. Hier stehen die Fähigkeiten jedes einzelnen Kindes im Vordergrund. Kinder und Jugendliche mit ganz unterschiedlichen Lernvoraussetzungen lernen in gemeinsamen Lerngruppen miteinander und voneinander. Sie werden durch ihre Lehrerinnen und Lehrer individuell gefördert. Die Lernkonzepte ermöglichen einen hohen Grad an Selbstständigkeit der Schülerinnen und Schüler und berücksichtigen alle Bildungsniveaus.

Die Nachfrage nach der Einrichtung neuer Gemeinschaftsschulen ist ungebrochen – inzwischen sind es rund 300 – und das auf freiwilliger Basis. Die Gemeinschaftsschule hat Schulen und Schulträger überzeugt. Sie können uns beim Wort nehmen, dass wir dieses selbstständig aus der Nachfrage generierte Wachstum nicht einschränken werden. Wir GRÜNE setzen uns weiterhin dafür ein, dass Schülerinnen und Schüler überall in Baden-Württemberg die Option erhalten, diese Schule für alle zu besuchen. Die Gemeinschaftsschulen stellen sicher, dass alle Schülerinnen und Schüler wohnortnah den bestmöglichen Schulabschluss erreichen können und gleichzeitig pädagogisch leistungsfähige Schulstandorte entstehen. Wir werden die Gemeinschaftsschulen auch in Zukunft bei der Qualität und der Weiterentwicklung ihrer Arbeit unterstützen. Wir werden den Gemeinschaftsschulen ermöglichen, auch in den mit ihnen verbundenen Grundschulen nach ihrem pädagogischen Konzept zu arbeiten. Gemeinschaftsschulen sind aus pädagogischen Gründen verbindliche Ganztagsschulen.

Schülerinnen und Schüler sollen künftig auch an der Gemeinschaftsschule das Abitur erwerben können. Sie müssen dann nicht nach der 10. Jahrgangsstufe auf ein allgemeinbildendes oder ein berufliches Gymnasium wechseln. Schon heute kooperieren einige Gemeinschaftsschulen eng mit Gymnasien. In Zukunft soll eine Gemeinschaftsschule oder ein Verbund aus mehreren Gemeinschaftsschulen mit einer ausreichenden Schülerzahl eine eigene Oberstufe einrichtenund damit alle Abschlüsse unter einem Dach anbieten können.

Die Gemeinschaftsschule eröffnet so neben dem Weg in eine berufliche Ausbildung einen neunjährigen Weg zum Abitur. Damit kann die Gemeinschaftsschule den Eltern ein pädagogisch attraktives Angebot machen, die für ihre Kinder eine Alternative zum G8-Gymnasium suchen.

Wir haben die Weiterentwicklung der Realschulen auf den Weg gebracht und ihnen erstmals zusätzliche Lehrerstunden für die individuelle Förderung ihrer Schülerinnen und Schüler gegeben. Diese Stundenzahl werden wir weiter erhöhen. An der Realschule können Schülerinnen und Schüler neben der mittleren Reife künftig auch den Hauptschulabschluss erwerben und werden durch Binnendifferenzierung im Unterricht gezielt darauf vorbereitet. Nach Klasse 10 ist bei entsprechenden Voraussetzungen wie bisher der Wechsel an die Oberstufe eines beruflichen oder allgemeinbildenden Gymnasiums und damit das Abitur möglich. Wir haben die Realschulen bei diesem Entwicklungsprozess unterstützt und werden das auch künftig tun, damit sie der großen Vielfalt und der Leistungsfähigkeit ihrer Schülerinnen und Schüler besser gerecht werden können. Zunehmend erkennen auch Realschulen die Chancen, die mit dem pädagogischen Konzept des individualisierten Lernens verbunden sind.

Wir haben Haupt- und Werkrealschulen die Möglichkeit eröffnet, bei genügend Anmeldungen auch den Werkrealschulabschluss anbieten zu können. Dafür haben wir zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt. Trotzdem ist der Rückgang an Schülerinnen und Schülern an diesen Schulen weiterhin spürbar. Ihre Lehrkräfte bringen vielfältige Kompetenzen im Bereich der Sprachförderung und in der Förderung sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler in die anderen weiterführenden Schularten ein. Wir wollen diesen Lehrerinnen und Lehrern eine Perspektive geben und ihnen über ein Personalentwicklungskonzept Aufstiegs- und Wahlmöglichkeiten für die anderen Schularten eröffnen.

Das allgemeinbildende Gymnasium ist eine starke Säule der Schullandschaft

Das allgemeinbildende Gymnasium ist und bleibt eine tragende Säule der Schullandschaft in Baden-Württemberg, denn wir wissen: Das Gymnasium wird weiterhin stark nachgefragt. Das anspruchsvolle, in der Regel achtjährige Gymnasium zeichnet sich durch ein pädagogisches Konzept aus, zu dem das forschende Lernen und die starke Betonung der Allgemeinbildung auf dem Weg zur allgemeinen Hochschulreife gehören. Fast die Hälfte eines Jahrgangs wechselt seit einigen Jahren an ein Gymnasium. Lehrer*innen an den Gymnasien stehen längst vor der Herausforderung, mit dieser breiten Vielfalt umzugehen. Auch den Gymnasien haben wir zusätzliche Stunden gegeben, damit sie ihre Schülerinnen und Schüler individuell fördern können. Die Berufswelt und Studienangebote entwickeln sich permanent und rasant – das Gymnasium muss kontinuierlich darauf reagieren, um seine Schülerinnen und Schüler auf die Zeit nach dem Abitur vorzubereiten.

Die begonnene Diskussion über die zukünftige Entwicklung des Gymnasiums ist jedoch notwendig. Wir werden sie unter Einbeziehung aller Akteur*innen weiterführen. Wir wollen keine Rückkehr zum alten neunjährigen Gymnasium, sondern eine flexible kinder- und jugendgerechte Weiterentwicklung des G8. Die Schüler*innen sollen nicht bei den Anforderungen, aber bei der Stofffülle entlastet werden. Unser Ziel ist eine pädagogische Weiterentwicklung mit Raum für mehr und bessere individuelle Förderung. Die Möglichkeit zum Abitur in neun Jahren über den Weg der Beruflichen Gymnasien hat sich in Baden-Württemberg bewährt. Einen weiteren Weg bauen wir derzeit mit den Gemeinschaftsschulen auf.

Schulen in freier Trägerschaft – eine wichtige Ergänzung

Wir schätzen sehr, dass etwa 650 Schulen in freier Trägerschaft zu einer lebendigen und vielfältigen Schullandschaft in Baden-Württemberg beitragen, indem sie gleichwertige, nicht gleichartige, pädagogische Konzepte entwickeln und erproben. Daher haben wir ihre Zuschüsse seit 2011 um 72,5 Millionen Euro erhöht und damit auf eine Quote von 78 Prozent angehoben. Gemeinsam mit den Schulen in freier Trägerschaft wollen wir baldmöglichst deren gesetzliche Grundlage neu aufstellen und dabei eine faire und verfassungskonforme Finanzierung, Verlässlichkeit und Qualität in den Mittelpunkt stellen.

Die freie Wahl der Schule stellt für uns ein hohes Gut dar. Wir werden sicherstellen, dass diese freie Wahl für alle Schüler*innen gilt und die Höhe von Schulgeldern an Schulen in freier Trägerschaft keine soziale Sonderung zur Folge hat. Schulen in freier Trägerschaft müssen so finanziert werden, dass sie ihre Lehrkräfte vergleichbar mit den Lehrkräften an öffentliche Schulen entlohnen und ihr pädagogisches Profil pflegen, entwickeln und ausbauen können.

Echte Berufsorientierung – für jeden Bildungsabschluss

Ein flächendeckend gut ausgebautes Angebot an Beruflichen Gymnasien ist eine wesentliche Voraussetzung für mehr Chancen- und Bildungsgerechtigkeit in Baden-Württemberg. Damit mehr Schülerinnen und Schüler an Beruflichen Gymnasien unterrichtet werden können, haben wir 150 weitere Eingangsklassen geschaffen und die Angebotspalette um zukunftsträchtige Profile erweitert. Das war überfällig, denn insbesondere im Schnittfeld zwischen schulischer und beruflicher Bildung gewinnen die Beruflichen Gymnasien zunehmend an Bedeutung. Damit haben wir unser ursprüngliches Ziel, allen zugangsberechtigten Bewerberinnen und Bewerbern einen Platz an einem Beruflichen Gymnasium zu ermöglichen, in der vergangenen Legislaturperiode schon fast vollständig erreicht.

Egal, welcher Bildungsabschluss angestrebt wird, uns ist wichtig, dass Schülerinnen und Schüler an allen Schulen eine gute Berufsorientierung bekommen, um sich über ihre Möglichkeiten im späteren Berufsleben klar zu werden. Das neue Fach Wirtschaft und die Studien- und Berufsorientierung an allen Schularten sind ein guter Anfang, der durch die Leitperspektive Berufsorientierung im neuen Bildungsplan unterstützt wird. Am Ende sollen alle Schülerinnen und Schüler die Berufswahl treffen können, die am besten zu ihren Interessen und Fähigkeiten passt.

Wir werden sicherstellen, dass die Lehrkräfte in dem neuen Fach mit didaktisch anspruchsvollem Unterrichtsmaterial arbeiten und den auch von den Gewerkschaften und den Arbeitgebern unterzeichneten „Code of Conduct“ einhalten, der die Zusammenarbeit von Schule und Wirtschaft regelt. Sie sollen nicht auf einseitig gestaltetes und interessensgeleitetes Material zurückgreifen. Das Fach Wirtschaft darf dabei nicht losgelöst vom Fach Gemeinschaftskunde gesehen werden.